Unsere Reise durch Finnland und das Baltikum
6. Woche: von Allenstein nach Oberbieber

15.07.2018 Oberbieber
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Olsztyn, das frühere Allenstein hat heute 172000 Einwohner und wurde im 2. Weltkrieg zu großen Teilen zerstört. Im Gegensatz zu vielen anderen Städten im früheren Ostpreußen wurde die Stadt aber nicht planlos mit sozialistischen Plattenbauten zugepflastert, sondern zu großen Teilen wieder aufgebaut.



Nicht alles originalgetreu, einige Häuser bekamen einfach ein Stockwerk mehr, aber doch stilgerecht. Und so war der Spaziergang am Montagmorgen auch ein kleiner Ausflug in eine vergangene Zeit.
Dominiert wird die Stadt von der mächtigen ehemaligen Ordensburg aus dem 14. Jahrhundert, die als Sitz des Verwalters ermländischen Domkapitels diente. Kopernikus war wohl in den Jahren 1516 bis 1519 der bekannteste Bewohner der Burg. In Allenstein kam es nach der Eroberung durch sowjetische Truppen zu schweren Ausschreitungen gegen die Zivilbevölkerung, wovon mehrer Massengräber Zeugnis ablegen.



Wenn auch noch viele der alten Häuser auf eine Renovierung warten, so strahlt die Stadt heute lebenswerte Atmosphäre aus. Viele Restaurants und Straßencafes laden zum Verweilen ein.
Wir wollten aber noch ein Stück weiter in Richtung Danzig. Also machten wir uns auf den Weg. Streckenweise schüttelten die Straßen unser Wohnmobil wieder mehr als kräftig durch. Geschirr das bis heute noch keinen festen Platz im Schrank gefunden hatte, war nach der Fahrt eingerüttelt.
Nachmittags erreichten wir den klitzekleinen Ort Buczyniec am Oberländischen Kanal. Der Kanal verbindet Ostroda (Osterode) mit Elblag und diente dem Holztransport aus dem Hinterland an die Ostsee.



Der übliche Bau von Schleusen war unwirtschaftlich und so kam der Königsberger Ingenieur Georg Steenke auf die Idee, die Schiffe auf Rollwagen über die Hügel zu ziehen. Die Anlage blieb bis heute einmalig in der Schifffahrtsgeschichte. Der Holztransport wurde schon Mitte des 20. Jahrhunderts eingestellt und die Anlage verrottete. Erst mit Unterstützung der EU wurde nach 2010 die Anlage aufwendig renoviert und heute werden als Touristenattraktion Personenschiffe über die Rollberge gezogen. Auch wir ließen uns diesen Spaß natürlich nicht entgehen.




Den Abend und die Nacht verbrachten wir auf einem Platz ganz in der Nähe der Rollberge und so konnten wir von Zeit zu Zeit immer wieder ein Schiff auf dem Trockenen am Fenster unseres Wohnmobils vorbeiziehen sehen.
Der Dienstag brachte dann mit Sicherheit einen der absoluten Höhepunkte unserer diesjährigen Wohnmobiltour. Gegen 11 Uhr erreichten wir bereits Marienburg (polnisch Malbork). Hier ist die bedeutendste und weltweit größte Backsteinburg zu besichtigen. Die Marienburg ist inzwischen nach den schweren Zerstörungen im 2. Weltkrieg fast vollständig wiederhergestellt und wird durch das UNESCO Weltkulturerbeprogramm geschützt.




Die Burg hat sowohl in der deutschen wie in der polnischen Geschichte herausragende Bedeutung. Auf Einladung des ponischen Herzogs Konrad von Masovien kamen die Ordensritter des, während der Kreuzzüge in Palestina gegründeten Deutschen Ordens, um 1230 nach Preußen in das Kulmer Land. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunders begannen die Ordensritter mit dem Bau einer mächtigen Burg, die sie zu Ehren ihrer Schutzpatronin Marienburg nannten.











Schnell wuchs die Burg und die Macht der Ordensritter, die in ihrer Blütezeit große Teile der heutigen baltischen Staaten und Preußens umfasste. Wenn auch bei der Schlacht von Tannenberg 1410 die Macht des Ordens unwiderruflich durch die litauisch/polnischen Truppen gebrochen wurde, die Burg wurde aber nicht eingenommen.
Das Geld war es; denn der Orden konnte seine Söldner nicht mehr bezahlen und so verkauften diese halt einfach Marienburg an den plonischen König. Von nun an diente die Burg fast 3 Jahrhunderte lang den polnischen Königen als Residenz, bis Ende des 18. Jahrhunderts die Burg an Preußen fiel.




Nach dem 2. Weltkrieg kamen dann die südlichen Teile Ostpreußen wieder an Polen. Die Marienburg ist eine der Hauptsehenswürdigkeiten in Polen. Nachdem sie unter preußischer Herrschaft ihre militärische Bedeutung verloren hatte, kam es zu Zerstörungen und der Zahn der Zeit nagte an ihr. In Zuge der Romantik fanden aber bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts umfangreiche Restaurierungsmaßnahmen statt, die durch die letzten Kriegshandlungen im Jahre 1945 aber alle zunichte gemacht wurden. Auf Einzelheiten der Burg einzugehen, fehlt hier leider der Platz. Wir waren nach über 5 Stunden Besichtigung von den vielen Eindrücken regelrecht erschlagen. Es gibt nur wenige Orte auf der Erde, die wir sehen durften und die uns so überwältigt haben.
Am Ende unserer Besichtigungstour öffnete der Himmel alle Schleusen und ein kräftiges Gewitter reinigte die Luft. Wir machten uns auf zu unserem Wohnmobil und fuhren noch ca. 45 km nach Norden bis Stegna (deutsch Steegen), wie uns scheint, schlechthin der Bade- und Ferienort an der polnischen Ostseeküste. Der Ort zählt 2300 Einwohner und z.Z. ein vielfaches davon an Touristen. Die einzige Sehenswürdigkeit ist eine mit Backsteinen ausgemauerte Fachwerkkirche aus dem 17. Jahrhundert. Sie ist reich ausgemalt und besitzt einen schönen Altar, eine prachtvolle Kanzel und kunstvoll geschmückte Orgel, die für viele Konzerte genutzt wird. Wir legten am Mittwoch einen Ruhetage ein, bevor wir am Donnerstag zur letzten größeren Sehenswürdigkeit, nach Danzig, aufbrachen.




Es war eine kurze Etappe, von Stegna aus ging es an der Ostseeküste entlang nach Westen bis zur Weichsel. Hier, nur wenige hundert Meter, bevor der Fluss in die Ostsee mündet, gings auf eine kleine Fähre, die uns sicher ans andere Ufer brachte. Bei der Anfahrt zum Campingplatz mussten wir bereits durch die Randbezirke von Danzig und die sahen nicht gerade einladend aus. Wir waren also gespannt, was uns in der Stadt erwartete. Eine knappe halbe Stunde später hatten wir auch schon unseren Stellplatz für die nächsten Tage gefunden.
Vom Platz bis zum Sandstrand sind es vielleicht 600 m, aber das Wetter lud nicht gerade zum Baden ein. Also ging es ab in die Stadt. Zur Trambahnstation waren ebenfalls maximal 300 m. Alle vier oder fünf Minuten fährt von dort eine Bahn direkt zur Innenstadt.



Wir verlassen die Straßenbahn direkt am Hohen Tor. Das Tor bildete seit 1586 die Hauptzufahrt zur Danziger Rechtstadt, das ist der Teil Danzigs, der 1225 mit lübischen Recht ausgestattet wurde, in dem die Selbstverwaltungsrechte der Hanse-Kaufleute festgeschrieben wurden. Nur wenige Meter nachdem wir das Tor durchschritten hatten erreichten wir den Gefängnis- und Folterturm. In ihm befindet sich heute das Bernsteinmusem. Und noch ein Tor, das Goldene Tor (richtiger: Langgasser Tor), mussten wir passieren, bevor wir die Langgasse, die Prachtstraße Danzigs ereichten.




Der erste Eindruck den wir auf der Anfahrt gewonnen hatten, war sofort wie verflogen. Die schmalen, hohen, vier- bis fünfstöckigen Häuser mit ihren bunten Fassaden lassen auch heute noch spüren, welcher Wohlstand und Reichtum die Danziger Kaufleute einst ansammelten. Die Langgasse ist Fussgängerzone und wird heute von dutzenden Restaurants jeglicher Güteklasse gesäumt. An ihrem östlichen Ende steht das Danziger Rathaus und die Straße öffnet sich zum einem großen Platz, dem Langen Markt. Auch dieser Platz wird von prächtigen, hohen Häusern gerahmt, die alle ganz unterschiedliche Giebel aufweisen. Den östlichen Abschluss bildet das Grüne Tor, ein in flämischem Stil erbautes prunkvolles Gebäude aus dem 16. Jahrhundert. So gelangen wir zur Mottlau, die hier in Danzig in die Weichsel mündet. Hier findet man auch den ältesten Teil des Danziger Hafens, dessen Wahrzeichen das Krantor ist. Es stammt aus dem 13. Jahrhundert und besaß zur damaligen Zeit die weltweit höchste Krananlage.




Die Danziger Altstadt wurde im 2. Weltkrieg fast vollständig zerstört und man muss bewundern, mit welchem Aufwand und Sorgfalt große Teile der Stadt rekonstruiert wurden.
Auch heute kann man noch an vielen Stellen Kriegsruinen sehen. Das der Rechtstadt gegenüberliegende Ufer der Mottlau wird zur Zeit neu bebaut und auch dabei riskiert man keinen Stilbruch. Die modernen Häuserfassaden sind alle so gehalten, dass sie mühelos mit den alten Fassaden harmonieren. Wir sind begeistert.




Der Tag war lang genug und uns schmerzten die Füsse. Also ging es wieder zurück über den Langen Markt und die Langgasse Richtung Westen. Kurz vor dem Golden Tor kehrten wir in einem Restaurant mit polnischer Küche ein und ließen es uns schmecken.
Das Wetter am Freitag war noch weniger gut. Gegen 11 Uhr machten wir uns aber wieder auf den Weg in die City. Auf dem Weg zur Marienbasilika passierten wir das Große Zeughaus, das als Waffenarsenal diente.
Die Marienbasilika ist eines der weltweit größten Gotteshäuser und soll annähernd 25000 Gläubigen Platz bieten. Mit dem Kirchbau wurde 1343 begonnen, aber erst 1502 konnte er fertiggestellt werden. Seit der Reformation war sie bis 1945 eine evangelische Kirche. Nach den Wiederaufbau, mit dem bereits 1946 begonnen wurde, und ihrer Wiedereinweihung im Jahre 1955 ist sie wieder katholische Kirche und heute ist sie Kathedrale der Erzbistums Danzig.




Leider wird die Kirche zur Zeit im Innern renoviert, weshalb Teile der Ausstattung nicht an ihrem Platz sind oder aber verhüllt sind, so dass wir nur einen eingeschränkten Eindruck gewinnen konnten.
Etwas Besonderes ist aber die astronomische Uhr, bei der um 12 Uhr mittags ein Glockenspiel erklang und sich im oberen Teil, ähnlich wie am Münchner Rathaus, die Figuren bewegten.




Obwohl das Wetter wirklich nicht das Beste war, wagten wir einen Ausflug mit einem Piratenschiff zur Westerplatte. Die Westerplatte ist eine große Sandablagerung in der Weichselmündung. Sie lieferte am 1. September 1939 Adolf Hitler den Vorwand für seinen Angriffskrieg gegen Polen. Wir waren also wieder einmal unmittelbar mit deutscher Geschichte konfrontiert. Seit 1966 erhebt sich auf der Westerplatte das Denkmal zu Ehren der polnischen Verteidiger.




Der Besuch auf der Westerplatte lohnte aber nur im Gedenken daran, welche Verbrechen im 20. Jahrhundert hier ihren Anfang nahmen. Wieder zurück in der Altstadt nahmen wir eine kleine Stärkung zu uns, bevor es zurück zu unserem Wohnmobil ging.



Von Danzig aus ging es dann über die Nationalstraße 22, die frühere Reichstraße 1, bis nach Frankfurt Oder und dann weiter nach Einbeck zu unserem Treffen mit den Panamericana-Teilnehmern und anschließend nach Hause.

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