Unsere Reise durch Finnland und das Baltikum
5. Woche: von Bauska nach Allenstein

08.07.2018 Allenstein
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Die Meterologen haben wie immer recht, wenn an einem Ort ein sommerliches Hochdruckgebiet das Regiment führt, muss an einem anderen Ort ein Tiefdruckgebiet regieren. Im Moment ist es so, dass zuhause richtig Hochsommer ist und sich das Wetter hier im Baltikum nicht zwischen Frühling und Herbst entscheiden kann. Aber wir machen das Beste daraus.




Einen schönen Platz zum Übernachten finden wir ja immer. Und so war es auch am Montag. Wir fuhren schon eine ganze Weile an der Daugava entlang Richtung Osten, die hier zu einen See aufgestaut ist.
Kurz nach drei Uhr hatte ich keine Lust mehr und wollte Feierabend machen. Wir kamen durch den kleinen Ort Koknese und ich sah auf den Navi, dass rechts von der Straße den See und eine Straße, die dort hin führte. Nach wenigen hundert Metern standen wir auf einem Parkplatz direkt am Seeufer. Besser konnte es nicht kommen. Es war sofort klar, dass wir für diesen Abend hier unseren Anker werfen würden.




Kokenhusen, so der alte Name der Stadt, erlebte im späten Mittelalter, als sie zur Hanse gehörte, ihre Blütezeit. Aus dieser Zeit stammt auch die Burgruine Kokenhusen, die früher auf einem Berg gelegen war, aber heute, da die Daugava zu einem See aufgestaut ist, von drei Seiten von Wasser umgeben ist. In einer Regenpause machten wir einen Spaziergang zur Burgruine. Wieder zurück am Wohnmobil wollte Inge noch ein paar Minuten laufen und sie kam auch nach einigen Minuten, aber schön durchnässt wieder zum Auto zurück. Das Tiefdruckgebiet bestimmte eben immer noch das Wetter.




Am nächsten Morgen machten wir einen kurzen Abstecher auf eine vor der Stadt gelegene Insel, auf der der japanische Landschaftarchitekt Shunmyo Masuno den Garten des Schicksals angelegt hat. Der Garten mit Erinnerungsstraße, Apfelallee und Amphitheater ist noch nicht ganz fertig eingerichtet, lädt aber bereits heute die Menschen zu Verweilen und Entspannen ein.
Von der Insel hat man auch einen sehr schönen Blick auf die Burgruine Kokenhusen, wie sie vom Wasser umspielt wird und man kann sich kaum vorstellen, dass sie einmal auf einem Berg thronte.




Die nächste Station war das Kloster Aglona. Es ist eine Gründung aus dem 18. Jahrhundert und beherbergt eine Ikone Marias, der wundertätige Kräfte zugesprochen werden. Jedes Jahr im August an Maria Himmelfahrt versammeln sich hier tausende Gläubige und hoffen auf die Gnade der Gottesmutter.




Ganz in der Nähe des Klosters befindet sich eine Quelle und wie kann es anders sein, dem Wasser wird natürlich auch eine heilende Wirkung nachgesagt. Tatsache ist aber, dass die Quelle ein Mineralwasser von hervorragender Qualität spendet. Die Menschen aus der Nähe kommen hierher und füllen das Wasser in Kanister und große Flaschen. Ob es wegen der heilbringenden Wirkung ist, oder weil das Wasser halt einfach gut ist, weiss ich nicht. Wir haben an dieser Quelle unseren Wasservorrat im Wohnmobil aufgefüllt.




Damit die Anreise auf Vilnius am kommenden Tag nicht all zu lang wird, sind wir noch ein Stück nach Süden, bis über die lettisch-litauische Grenze gefahren. Hier stehen wir nun in Zarasei und verbringen den Abend mit Tagebuch schreiben und Lesen.
Wir mögen es eigentlich, wenn es nachts leicht regnet und die Tropfen auf der Außenhaut unseres Wohnmobil uns in den Schlaf leise trommeln. In der vergangenen Nacht wurde aus dem Trommel zeitweise ein Schlagen und hielt uns bis in die frühen Morgenstunden wach. Es war also kein Wunder, dass wir erst kurz nach 9 Uhr die Augen aufschlugen. Inzwischen hatte es, Gott sei gedankt, aufgehört zu regnen und die Straßen waren abgetrocknet. Nach dem Frühstück ging es anschließend weiter Richtung Vilnius.
Die Fahrt führte uns durch ein leicht hügelige Landschaft. Rechts und links des Weges begleiteten uns große Nadel- und Birkenwälder. Zwischen den Wäldern tauchten unendlich viele kleine und mittlere Seen auf. Wenn sich die Wälder auftaten, breiteten große Wiesenflächen aus, die teils bereits gemäht, teils aber auch noch auf ihre Ernte warteten. Auf den Wiesen stolzierten immer wieder Störche. Aus vielen Storchenhorsten streckten die Jungvögel neugierig ihre Köpfe und hielten Ausschau nach ihren Alten, die offensichtlich auf Futtersuche waren. Hier und da entdeckten wir auch ganze Storchenfamilien in ihren Nestern. Leider ist es mir bis jetzt noch nicht gelungen, ein Bild einer solchen Familie zu machen.
Etwas abseits der Straße, vielleicht 100 bis 150 Meter, versteckten sich vereinzelt Gehöfte hinter einem Birkenhain oder Gebüsch. Die Häuser und Stallungen sind überwiegend aus naturbelassenem Holz gebaut und sind daher alle grau.




Der Verkehr auf den, teils sehr guten, teils aber auch hundsmiserablen, Straßen war äußerst mäßig. Ich ließ das Wohnmobil mit einer Geschwindigkeit zwischen 80 und 85 km/h dahin rollen. Auch musste ich so gut wie nie überholen und die Fahrzeuge, die mich überholen wollten, konnten dies bei dem geringen Verkehr und den langen Geraden gefahrlos machen. Bevor wir den Einzugsbereich der Großstadt Vilnius erreichten, besuchten wir noch den geologischen Mittelpunkt Europas. (N 54 54' 43,4"", O 25 19' 33,8"").
Riesige Kreisel mit scheinbar unendlich vielen Ausfahrten, Straßenverläufe bei denen das Navi sagte ""links halten"", ich mich aber in Wirklichkeit rechts halten musste, sorgten dann doch noch für ein wenig Stress. Außerdem war der Stellplatz, den wir angepeilt hatten, mit Bussen zugestellt. In der Stadt fand an diesem Tag ein Folklorefestival mit vielen hundert Teilnehmern statt, die scheinbar alle mit dem Bus angereist waren.
Gegen 14 Uhr hatten wir es dann geschafft und unser Wohnmobil sicher auf dem stadtnahen Campingplatz abgestellt.




Am Nachmittag statteten wir dann der City einen ersten Besuch ab. In den Strassen wimmelte es von Trachtengruppen. Der Platz der Kathedrale war offensichtlich der zentrale Platz der Veranstaltung. Auf einer großen Bühne fanden irgendwelche Theateraufführungen statt, von denen wir natürlich kein Wort verstanden.
Wie wir später in Erfahrung brachten, jährt sich die Unabhängigkeit Litauens von Russland in diesem Jahr zum 100stem Male und aus diesem Anlaß finden überall im Lande Sängerfeste, Trachtenumzüge und Theateraufführungen statt. Angeblich waren in diesen Tagen 20000 Sänger und 9000 Trachtenträger in der Stadt.




Wir bummelten insgesamt ungefähr 2 Stunden durch die Stadt, bevor es mit dem Bus wieder zurück zu Campingplatz ging. Der kommende Tag war dann ganz den Sehenswürdigkeiten von Vilnius gewidmet.
Unser Spaziergang vom Vortag half uns heute uns in der Großstadt leichter zu orientieren. Wieder ging es mit dem Bus in die Stadt. Am Hauptbahnhof verließen wir die Linie 16 und es ging in Richtung Altstadt. Nach dem 2. Weltkrieg wurden große Teile der stark in Mitleidenschaft gezogenen Häuser und Gassen abgerissen und an ihrer Stelle breite Straßen und moderne (sowjetische) Bauten erstellt. Dementsprechend kann sich in der Innenstadt auch nicht das Flair von Riga oder gar Tallinn entfalten. Die Kirchen gammelten vor sich hin oder wurden gar in Lagerhäuser und Werkstätten umfunktioniert. Viele der Gotteshäuser benötigen noch viel Geld und Zeit, damit sie wieder ihren altem Glanz entfalten können. Litauen ist ähnlich wie Polen ein streng katholisches Land und so ist es kein Wunder, dass Vilnius auch heute noch rund 50 Sakralbauten zählt. Alle zu besuchen, wäre zu anstrengend gewesen, aber mindestens 10 Kirchen waren es bestimmt. Darunter 3 Orthodoxe Kirchen, die St. Anna Kirche und die Bernhardiner Kirche, die einmal Teil der Stadtbefeistigung war. In unmittelbaren Nähe der beiden zuletzt genannten Kirchen fließt auch die Vilna, die der Stadt ihren Namen gegeben hat, vorbei.




Besonders zu erwähnen ist natürlich die Kathedrale St. Stanislaus mit ihrem freistehenden Glockenturm, Sie beherrscht den riesigen Domplatz und bildet gemeinsam mit dem neben ihr liegenden Palast des Großfürsten von Litauen



und der Burg das Herz der Stadt. Leider wurden auf dem Burghügel umfangreiche Arbeiten ausgeführt und er war daher für die Besucher gesperrt, man soll nämlich von dort oben einen schönen Blick auf die ganze Altstadt haben.




Ebenfalls im Herzen der Stadt findet man die 1579 gegründete Universität. Ihre Institute und Lehreinheiten verteilen sich über 12 Innenhöfe und bilden mit ihrer architektonischen Vielfalt so etwas wie eine Stadt in der Stadt. Sie ist eine der ältesten Wissenschaftszentren Europas und die größte Universität des Landes.




Wir kamen zufällig zur richtigen Zeit am Präsidentenpalast vorbei und beobachteten, wie Rekruten in einem strengen Zeremoniell die Fahnen vor dem Palast wechselten.




Die Füße taten langsam weh und es wurde Zeit, zum Wohnmobil zurück zu kehren.

Der 6. Juli ist der Krönungstag von König Mindaugas und gilt als Geburtsstunde Litauens und wird heute als Feiertag begangen.




Erstes Ziel am Freitag war die etwa 30 km westlich von Vilnius gelegene Wasserburg Trakai. Die Backsteinburg aus dem 14. Jahrhundert ist ein Symbol für den erfolgreichen Kampf gegen den Deutschen Orden. Sie wurde vollständig rekonstruiert und ist somit das schönste Beispiel mittelalterlichen Burgenbaus in Litauen.
Die Feierlust der Litauer bekamen wir in Kaunas, der zweitgrößten Stadt des Landes voll zu spüren. Es war, obwohl Feiertag, absolut kein Parkplatz im Stadtbereich zu finden. Gut einen Kilometer vom Zentrum entfernt fanden wir dann auf dem Parkplatz eines schwedischen Möbelhauses einen Platz.




Zu Fuß ging es dann wieder zum Zentrum. Ein Streifzug durch die Gassen führte uns an den wichtigsten Sehenswürdigkeiten vorbei. Zu erwähnen sind die Reste der Ordensburg und der Stadtbefestigung, der Marktplatz, der vom Rathaus beherrscht wird und die an den Markplatz angrenzende Kathedrale St. Peter und Paul. Nach gut einer Stunde beendeten wir den Rundgang und kehrten zum Wohnmobil zurück.
Ursprünglich wollten wir den Abend und die Nacht in Kaunas verbringen, aber der sonst wohl ruhige Platz, an dem sich die Wohnmobilfahrer treffen, war an diesem Tag nicht zu gebrauchen. Wir änderten kurzerhand unsere Planung und wechselten nach Polen, wo wir ganz in der Nähe eines Sees auf einem kleinen Parkplatz unsere Zelte aufgeschlagen haben. Wir sind jetzt in den Masuren.




Am Samstag drangen wir dann bis ins Herz der Mausuren, nach Mikolajki (Nikolaiken) vor. Von der Fahrt dahin wäre eigentlich nicht viel zu berichten, außer, dass wir über sagenhafte Alleen fuhren, die dicht von Eichen gesäumt wurden.



Solche Alleen haben wir noch nicht gesehen. Rechts und links der Straße überraschten uns immer wieder Storchennester.



Die Jungen sind inzwischen schon zu recht ansehnlichen Vögeln herangewachsen, werden aber offenbar noch immer von den Alten gefüttert.
Gegen Mittag war unser Tagesziel erreicht. Nach einer kurzen Pause luden wir die Fahrräder aus und wir starteten den Versuch, den nördlich der Stadt gelegenen See zu umrunden. Es wurde so etwas wie eine kleine Abenteuer-Tour.




Nach anfänglich guter Straße führte uns das Navi in den Wald. Die Wege wurden enger und immer sandiger. Zwischendurch mussten wir unsere EBikes sogar einen Sandberg hochschieben. Das war aber nicht das, was uns wirklich zusetzte. Nach 20 km über teilweise sandige Waschbrett-Straßen und ungefähr der Hälfte der geplanten Strecke, erreichten wir Ryn (Rhein), einen hübschen Ort an der nördlichen Spitze des Sees. Nach einer Erfrischung und der Annahme, dass der Rest der Strecke auch nicht besser zu fahren ist, schenkten wir uns die andere Hälfte der Seeumrundung und fuhren über etwas bessere, wenn auch nicht gute Straßen zurück.
Bereits in der Mittagszeit, als wir mit den Fahrrädern starteten, war die Stadt voller Menschen. Wir glaubten, es handele sich um den üblichen Touristenandrang in der Ferienzeit und bei schönen Wetter. Abends war die Stadt aber dann richtig voll. Als es dunkel wurde drängten sich die Leute am Hafen und hielten erwartungsfroh Ausschau. Endlich konnten auch wir den Grund erkennen: Ein Boot zog einen etwa 4m großen Fisch hinter sich her, der freudig begrüßt wurde und anschließend an einem Brückenpfeiler festgemacht wurde. Die Legende sagt, dass, so lange der Fisch nicht weg kann, die Fanggründe im See gut bleiben. Zum Höhepunkt wurde dann noch ein respektables Feuerwerk abgebrannt.
Der Versuch am Sonntag, eine erfolgreichere Fahrradtour zu starten, blieb wieder im Sande stecken. Also starteten wir statt dessen den Motor unseres Wohnmobil und fuhren zunächst an den Ort, der uns in die dunkelste deutsche Geschichte führte, zur ""Wolfsschanze"",



dem Führerhauptquatier, von dem der Vernichtungskrieg der Deutschen Wehrmacht gegen Osteuropa organisiert und befehligt wurde, von dem aber auch der einzige ernstzunehmende Versuch gestartet wurde, dem Unrechtsregime ein Ende zu machen. Das Attentat vom 20. Juli 1944 durch Graf Stauffenberg und seine Kameraden.




Die Anlage selbst ist nur ein großes Trümmerfeld. Die Wehrmacht hat bei ihrem Abzug alle Gebäude in Schut und Asche gelegt. Nur meterdicken Betonruinen und die Grafiken können einen Eindruck von der ehemaligen Befestigungsanlage geben. Aber wir finden, bei einer Reise durch das ehemalige Ostpreußen, gehört ein Besuch dieser Gedenkstätte einfach dazu. Danach ging es weiter nach Olsztyn, dem ehemaligen Allenstein. An westlichen Stadtrad liegt der Dlugie See (Langer See), wo wir auf einem Parkplatz übernachteten.

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