Unsere Reise durch Finnland und das Baltikum
4. Woche: von Riga nach Bauska

01.07.2018 Bauska
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Die neue Woche startete genau wie die alte Woche geendet hatte: REGEN! In Riga hätte es sicher die eine oder andere Sehenswürdigkeit noch verdient angeschaut zu werden, aber bei so viel Kälte und Regen konnten wir uns nicht dazu überwinden. Also setzten wir schon am Montag entlang der Westküste der Bucht von Riga fort.
In Kaltene, einem klitzekleinen Ort unmittelbar am Meer, wollten wir eigentlich nur auf einem etwas abseits der Straße gelegenen Parkplatz eine Kaffeepause einlegen. Dabei blieb es dann. Der Nieselregen lähmte jegliche Aktivität. Am späteren Nachmittag lichteten sich etwas die Wolken und wir unternahmen noch einen ausführlichen Spaziergang durch die Ortschaft. Er dauerte vielleicht eine halbe Stunde; denn wie gesagt, der Ort war klitzeklein.




Am Dienstagmorgen hatten sich dann die Wettergötter wieder mit uns versöhnt. Wenn auch die Temperaturen noch etwas zu wünschen übrig ließen, so schien die Sonne doch von einem wunderbaren weißblauen Himmel. Nach dem Frühstück folgten wir dann die 45 km entlang der Küste in nordwestlicher Richtung zum Kap Kolka. Auf einem im Wald gelegener Parkplatz, 200 Meter von der Straße entfernt, fanden wir den idealen Platz, um die nähere Umgebung zu erkunden. Der Platz wird von den Einheimischen auch gerne als Ausgangspunkt für einen Badeaufenthalt in der Ostsee genutzt.




Sofort machten wir uns auf den Weg zur äußersten Spitze des Kaps. Der Zehentest zeigte uns, dass die Wassertemperatur doch viel Spielraum nach oben hat. Meine Ausrede, das Wasser sei zu kalt, wurde diesmal voll von Inge akzeptiert.
Wieder zurück am Wohnmobil packten wir unsere Fahrräder aus und es ging ca. 25 km an der Ostseeküste in südwestlicher Richtung. Zunächst versuchten wir unser Glück auf Waldwegen, aber sehr schnell brachen wir dieses Vorhaben ab und wechselten zurück zu Straße, die sehr gut ausgebaut ist und kaum von Autos befahren wird. Am Ziel unserer Spritztour erwartete uns ein Kuriosum aus sowjetischer Zeit:
Das Gebiet um das Kap war zu jener Zeit militärisches Sperrgebiet und die Fischer durften mit ihren Kuttern nicht hinaus auf die See um Fische zu fangen. Da Verbote offensichtlich nicht halfen, transportierten die Militärs mit ihrem schweren Gerät kurzer Hand die Schiffe etwa 200 Meter in den Wald, wo sie seitdem verrotten. Das den Fischern damit ihre Lebensgrundlage genommen wurde - wen interessiert das schon!




Anschließend ging es auf dem gleichen Weg wieder zurück zum Wohnmobil, dieses Mal aber ohne den Abstecher über die sandigen Waldwege.
An diesem Dienstag ging die Sonne hier erst um 22:34 Uhr unter. Da der Himmel noch immer strahlend blau war, ließen wir uns den Sonnenuntergang natürlich nicht entgehen. Eine warme Jacke half gegen die jetzt bereits wieder recht kühle Luft.




Der Mittwoch war wieder so ein Tag an dem wir wach wurden, weil es im Wohnmobil zu warm wurde. Die Sonne lachte vom Himmel und machte uns das Aufstehen nicht besonders schwer. Also ran - Morgentoilette, Frühstück und dann ab, dem nächsten Ziel entgegen.
Ventspils, das frühere Windau, war angesagt. Die küstennahe Straße war perfekt. Von meinem Wohnmobil war kaum ein Stöhnen oder Quietschen zu hören. So ging es etwa 50 km nach Süden, dann folgte aber ein Straßenabschnitt, der es in sich hatte. Der Straßenbelag stammt wohl noch aus Sowjetzeiten und wurde immer wieder nur notdürftig geflickt. Über Bodenwellen und durch Spurrillen wurde das Auto hin und her geworfen. Ich fahre hier im Balktikum schon höchstens 80 km/h, aber hier habe ich freiwillig die Geschwindigkeit noch deutlich reduziert. An einem kleinen See rechts der Straße, dem Busnieku Ezers, legten wir noch einen Fotostopp ein. Der See hat Badequalität und deutlich angenehmere Temperaturen als die nahe Ostsee.



Nach gut einer Stunde hatten wir unser Etappenziel Ventspils erreicht.
Ventspils ist eine Stadt mit etwa 40000 Einwohnern und hat nach Riga den zweitwichtigsten Hafen Lettlands. Er ist der wichtigste Umschlagplatz für russisches Öl und russische Kohle an der Ostsee. Aber das war natürlich nicht der Grund für unseren Besuch.




Die Stadt ist eine Gründung des 13. Jahrhunderts und ihr Schicksal ist wie bei so vielen Städten hier an der Ostsee eng mit dem Deutschen Orden und der Hanse verbunden. Das markanteste Zeugnis aus dieser Zeit ist die Ordensburg, die 1290 vom livländischen Orden errichtet wurde.



Außerdem sind noch die Niklaikirche und die orthodoxe Basilika sehenswert. Auf unserem Spaziergang durch die Stadt konnten wir auch noch viele der für hier typischen Holzhäuser betrachten, die aber meist noch auf eine dringend notwendige Renovierung warten. Ansonsten macht die Stadt aber einen durchaus gepflegten und sauberen Eindruck, mit vielen Grünanlagen und zauberhaftem Blumenschmuck.



Inge hat besonders eine überlebensgroße Kuh, die vollständig aus blühenden Blumen bestand, gefallen.
Nach gut einer Stunde ging es weiter nach Liepaja. Wieder wechselten sich hervorragende Straßenabschnitte mit solchen ab, bei denen der Fahrer von der Umgebung kaum etwas mitbekommt, weil er sich ganz intensiv auf die Straße konzentrieren muss.
Erschweren kam hinzu, dass viele Baustellen das Fahren auch nicht gerade leichter machten. Nach zwei Stunden Fahrt erreichten wir die Stadt, aber der vom Navi geführte Weg führte in eine Sackgasse. Ich hatte keine große Lust mehr, jetzt noch in einer weiteren Stadt herum zu laufen, also beschlossen wir, uns einen Platz für den Rest des Tages zu suchen. Und so stehen wir jetzt etwa 20 km südlich der Stadt nicht weit entfernt auf einer Wiese und genießen den Abend.
Am Donnerstag verlassen wir vorübergehend Lettland und fahren südwärts nach Litauen. Etwa 40 km südlich der Grenze erreichen wir die Stadt Klaipeda, das frühere Memel. Sie liegt direkt an der Mündung des Strom mit gleichem Namen, der in der ersten Strophe des Deutschlandliedes besungen wird. Aber das war bekanntlich einmal.




Von dem alten Memel hat sich nur sehr wenig über die Verwüstungen des 2. Welkrieges hinweg retten können und von dem was übrig blieb, wurde in sowjetischer Zeit noch ein großer Teil dem Erdboden gleich gemacht.
Die wohl bekannteste Sehenswürdigkeit der Stadt ist der Simon Dach Brunnen am Theaterplatz. Er zeigt die Figur des "Ännchen von Tharau", die in einem der bekanntesten, samländischen Volkslieder aus dem 17. Jahrhundert besungen wird. Simon Dach hat die Verse aus Anlass der Hochzeit der Anna Neander im Jahre 1636 verfasst und wenige Jahre später vertont. Die heute bekannte hochdeutsche Version und Melodie stammt allerdings erst aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert.




Ansonsten hat uns der Spaziergang durch die Stadt keine Überraschungen mehr gebracht. Es gibt noch einige schöne Holzhäuser zu bewundern, dann den Fachwerkspeicher aus dem 18. Jahrhundert, das ehemalige Segelschulschiff ""Meridianas"", sowie die alte Post.
Um unser nächstes Ziel, die Kurische Nehrung zu erreichen, mussten wir mit der Fähre den 600 Meter breiten Wasserarm überqueren, der das kurische Haff mit der Ostsee verbindet. Die Kurische Nehrung ist im Prinzip nichts anderes als eine 98 km lange und bis zu 3,8 km breite Düne, die vom ehemaligen Samland aus sich in nordöstlicher Richtung in die Ostsee erstreckt.




Der größte Teil der Nehrung gehört zum Nationalpark, der 1991 nach der Unabhängigkeit eingerichtet wurde. Während der Zeit des Kalten Krieges war die Nehrung militärisches Sperrgebiet. Überreste militärischer Anlagen kann man hier und da auch heute noch entdecken.
Unser Tagesziel war Nida, das ehemalige Nidden. Er ist der am weitesten südwestlich gelegene Ort auf der Nehrung, der noch zu Litauen gehört. Nur 3 km weiter südwestlich verläuft die russische Grenze. Gleich nach Ankunft haben wir unsere Fahrräder ausgepackt und die Uferpromenade zum Haff hin erkundet. Anschließend sind wir noch auf der Straße bis zur russischen Grenze geradelt.
Am späteren Abend packten wir uns dann eine Flasche Wein und haben auf der Ostseeseite der Nehrung noch einen wunderschönen Sonnenuntergang erlebt.




Die Kurische Nehrung ist auch ein Fahrradparadies. Vom Fähranleger nach Klaipeda bis zur russischen Grenze gibt es einen gut ausgebauten Fahradweg, der teilweise einer Fahrradautobahn gleicht. Wir hatten uns vorgenommen, endlich mal wieder eine Fahrradtour zu starten, die diese Bezeichnung auch verdient. Von unserem Stellplatz über Nida bis nach Kuodkrante sind es 35 km, die ja auch wieder zurück bewältigt werden wollen.




Gegen 11 Uhr starteten wir. Die erste kleine Pause legten wir nach nur wenigen Kilometern am nördlichen Ortsausgang von Nida ein. Hier steht das ""Thomas Mann Haus"", dem wir natürlich unsere Reverenz erweisen mussten. In dem ehemaligen Ferienhaus befindet sich heute ein litauisch-deutschen Kulturzentrum, das dem Schriftsteller gewidmet ist. Das einzig wirklich noch authentische ist der Blick von der Terrasse auf das Kurische Haff.




Weiter ging es dann unserem Ziel entgegen. Der Radweg wechselt von der Haffseite zur Ostseeseite der Nehrung und wieder zurück. Dabei muss jeweils die hohe Düne überwunden werden, was uns mit unseren E-Bikes aber nicht schwer fiel. Was uns wesentlich schwerer fiel, war der extrem starke Gegenwind, der an der Ostseeseite blies.
Am Zielort nahmen wir dann zur Mittagszeit eine Stärkung zu uns. (Zwei vollständige und gute Tellergerichte inklusive Getränke für 25 €)




Nachdem wir uns Juodkrante noch etwas angeschaut hatten, ging es auf dem gleichen Weg wieder zurück. Damit hatten wir unser Tagwerk geschafft.
Der Samstag war wieder ein richtiger Fahrtag. Nachdem der Haushalt gerichtet war und bevor wir in Richtung Fähre starteten ging es erst einmal hoch auf die Große Düne (Parniddener Düne). Sie ist mit 52 Meter eine der höchsten Wanderdünen Europas. Der Blick nach Südwesten wird linker Hand durch das Kurische Haff und rechter Hand durch die Ostsee begrenzt. Dabei kann man den Blick bis weit in das ehemalige Ostpreußen schweifen lassen.




Über die Fähre und Klaipeda ging es dann Richtung Osten unserem nächsten Ziel, dem Berg der Kreuze entgegen, den wir am heutigen Samstag aber nicht mehr erreichen wollten. An einem kleinen See nahe der Ortschaft Pakumulsiai fanden wir einen schönen Übernachtungsplatz.




Am Sonntag standen zwei weitere Sehenswürdigkeiten des Baltikums auf dem Besuchsplan. Erste Etappe war der ca. 45 km von Pakumulsiai entfernte Berg der Kreuze. Die ersten Kreuze auf dem Burghügel der 1348 von den Kreuzrittern zerstörten Burg Jurgaiciai wurden im 19. Jahrhundert nach der Niederschlagung der Rebellion der Litauer gegen die Zarenherrschaft aufgestellt, auf dem Aufständische hingerichtet wurden.




1900 standen etwa 150 und 1940 etwa 400 Kreuze auf dem Hügel. Als nach Stalins Tod die wenigen Überlebenden der Deportation nach Litauen zurückkehrten, stellten sie sofort Kreuze in Erinnerung an die im Gulag ums Leben gekommenen Menschen auf. Auch für politisch Verfolgte und Gläubige wurden Kreuze errichtet. Der Ort wurde auf diese Weise Symbol des Widerstands. Mehrfach wurden in den folgenden Jahren von der Kommunistischen Partei alle Kreuze entfernt und zerstört. Zuletzt im Jahre 1975. Doch jedesmal standen bereits Tage später wieder die ersten Kreuze am gleichen Ort. Heute sollen, nach unterschiedlichen Schätzungen, zwischen 15000 und 50000 Kreuze auf dem Berg stehen.
Es ging weiter über die litauisch/lettische Grenze zum Barockschloss Rundale, 10 km westlich der Stadt Bauska. Das Schloss gehört zu den bedeutensten Baudenkmälern des Barock in Lettland. Mit dem Bau wurde 1735 auf Veranlassung der Zarin Anna Ivanowna begonnen und sollte als Sommerresidenz des kurlandischen Herzogs Ernst Johann Biron dienen.




Seit 1920 befindet es sich im Staatsbesitz. Zwischenzeitlich diente es als Schule und es wurden Wohnungen in seinem Gemäuer eingerichtet. 1972 wurde das Schlossmuseum Rundale gegegründet und es begannen umfangreiche Renovierungsanlagen.




Wir machten einen ausgiebigen Rundgang durch die Prunkräume des Schlosses und den wunderschönen Schlossgarten. Leider hatte der Himmel nur Grautöne zu bieten, was zwar der Schönheit des Gartens keinen Abbruch machte, dem bleibenden Eindruck auf den Fotos aber den Glanz raubte.
Einen ruhigen Übernachtungsplatz fanden wir in der Ortschaft Bauska auf einem Picknikplatz unmittelbar am Ufer des Flusses Memele (nicht zu verwechseln mit Memel), mit direktem Blick auf die renovierte Ordensburg.





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