Ein Nachtrag zur Panamericana 2009 / 2010
06.04.2014 Machu Picchu Pueblo - Aguas Calientes
Wir haben noch nie einen solch langen Tag wie den Dienstag erlebt. Das lag aber nicht nur daran, dass sich Reisetage immer unendlich in die Länge ziehen, sondern auch daran, dass wir auf unserem Flug von Auckland nach Santiago de Chile die Datumsgrenze überquert haben und dadurch den 1. April fast in doppelter Länge erlebten. Um exakt zu sein, er dauerte 41 Stunden. Unser Flugzeug hatte bereits in Auckland mehr als 2 Stunden Verspätung, trotzdem erreichten wir Santiago 4 Stunden früher, als wir gestartet sind. Der Flug war angenehm und ruhig, aber wir schaffen es einfach nicht, im Flugzeug zu schlafen. Das holten wir dann im Hotel nach.
Santiago ist auf unserer Reise nur ein Zwischenstopp, weil wir uns einen noch längeren Flug mit zwei zusätzlichen Flügen nicht zumuten wollten. Das Holiday Inn Santiago Airport ist dafür die ideale Destination. Der Hoteleingang liegt nur ca. 80 m vom Ausgang des Flughafengebäudes entfernt, was unserem Bestreben ins Bett zu kommen und die Augen zu schließen sehr entgegen kam.
Das Essen im Hotel war sehr gut und für ein 5 Sterne Hotel am Flughafen geradezu spottbillig. Wo bekommt man schon ein erstklassiges Rinderfilet für weniger als 17 €.
Während ich diese Zeilen schrieb, kamen immer mehr Nachrichten von einem extrem starken Erdbeben der Stärke 8.3 vor der Küste Nord Chiles. Viele Städte an der Küste, u.a. Iquique und Arica, die wir 2010 besucht hatten, wurden evakuiert, da man mit einem Tsunami rechnete. Die Auswirkungen haben sich aber scheinbar in Grenzen gehalten.
In aller Frühe ging es am Mittwochmorgen wieder zum Flughafen und dann weiter über Lima, wo wir umsteigen mussten, nach Cusco, in die Anden.
Kurz bevor wir auf unserer Panamericana-Tour 2009 / 2010 mit unserem Wohnmobil die alte Inka Stadt Machu Picchu besuchen wollten, rissen schwere Unwettern die Bahnlinie zwischen Cusco und Machu Picchu in die Tiefe. Jetzt holen wir diesen Besuch nach.

Schon der Flug von Lima über die schneebedeckten Berge der Anden weckte in uns angenehme Erinnerungen. Vereinzelt konnten wir aus großer Höhe durch die Wolkenlücken Straßen in den tief eingeschnittenen Täler und Flüsse sehen, von denen wir bestimmt einige auf unserer Panamericana-Tour mit unserem Wohnmobil befahren haben. Auch der Anflug zum Flughafen von Cusco ist spektakulär. Der Pilot muss die Maschine über eine Bergkette in ein relativ enges Tal steuern und dabei eine enge Linkskehre fliegen.
Cuzco liegt auf einer Höhe ungefähr 3500 m über dem Meer, was man direkt nach dem Verlassen des Flugzeugs zu spüren bekommt. Die Knie wirken weich und das Atmen fällt deutlich schwerer. Wir brauchten noch einige Tage, bis wir uns akklimatisiert hatten.
Auch die Gefahr der Höhenkrankheit ist nicht zu unterschätzen. Sie kann Jung und Alt, Sportler und lahme Enten, Gesunde und Kranke gleichermaßen treffen. In unserem Hotel standen an der Rezeption gleich mehrere Sauerstoffflaschen für solche Notfälle bereit. Bisher hat es uns nicht getroffen und wir hoffen auch, dass es uns erspart bleibt.
Nach dem Einchecken im Hotel haben wir zunächst das angestaute Schlafdefizit etwas abgebaut und es war schon fast dunkel, als wir der Stadt unsere erste Aufwartung machten.
Unser Hotel lag mitten in der historischen Altstadt und wir konnten alle wichtigen Gebäude, Plätze und Sehenswürdigkeiten zu Fuß in wenigen Hundert Metern Unkreis erreichen.
In der Stadt Cusco leben heute rund 350 000 Einwohner. Die Geschichte von Cusco reicht weit über die Anfänge der Kolonialzeit zurück. Cusco war die Hauptstadt des einst riesigen Inkareichs, das große Teile Südamerikas umfasste. In der historischen Altstadt findet man hiervon allerdings kaum Zeugen. Sie ist vom spanischen Kolonialstil geprägt.
Nach den vielen australischen und neuseeländischen Städten, die häufig monoton und sich zum Verwechseln ähnlich waren, strahlt Cusco wieder etwas Vertrautes, etwas Behagliches aus, was wir inzwischen doch vermissten. Auf den Plätzen und in den Gassen pulsiert auch am Abend noch das Leben.

Gestern habe ich an dieser Stelle im Zusammenhang mit den Restaurant-Preisen den Begriff ""spottbillig"" genutzt, die Preise hier in Peru sind noch einmal um rund 50 Prozent günstiger. Na, denn guten Appetit.
Die Semana Santa steht vor der Tür und Wochen vorher beginnen bereits die Vorbereitungen für die Prozessionen und Feierlichkeiten. Die Heiligenfiguren und Kreuze werden aus ihren Nischen in den Kirchen genommen, auf Sänften aufgebaut und prächtig geschmückt. Dieser eigentlich doch recht profane Vorgang gestaltet sich im zutiefst gläubigen Südamerika bereits zu einer bedeutungsschweren Zeremonie.

Wir hatten gerade die Kathedrale an der Plaza de Armas, dem zentralen Hauptplatz der Stadt, betreten und uns ein wenig in der riesigen Kirche orientiert, als wir aus einer der Ecken einen sehr traurigen, klagenden Gesang vernahmen. Aus einem der Seitenaltäre wurde das vier bis fünf Meter große Kreuz von den Honoratioren vorsichtig heraus gehoben und in einer kurzen Prozession zum Hauptaltar getragen. Hunderte Gläubige standen Spalier, sangen und beteten, um anschließend am Kreuz vorbei zu defilieren und die Füße des gekreuzigten Christus zu küssen.

Wir haben die Zeremonie andächtig verfolgt und anschließend uns die prächtige Ausgestaltung der Kirche bewundert, die zu beschreiben hier der Platz und meine Kenntnisse nicht ausreichen.
Um uns einen Überblick über die gesamte Stadt zu verschaffen, haben wir nach der Mittagspause eine etwa eineinhalbstündige Rundfahrt mit einem offenen Sightseeing Bus gemacht. Es ging kreuz und quer durch die Stadt an vielen Baudenkmälern und Plätzen vorbei. Leider war der Tour Guide auf dieses Rundfahrt nicht besonders gut. Das Wenige, das er in englischer Sprache erläuterte, war kaum zu verstehen.

Zum Abschluss ging die Fahrt zu archäologischen Komplex Sacsayhuam auf einem Berg hoch über Cusco gelegen, von dem aus man einen herrlichen Blick über die Stadt und in die angrenzenden Täler hatte.
Abends besuchten wir eine Folkloreschau, bevor es, wie an den anderen Abenden auch, wieder zur Plaza de Armas ging, um die sich viele hübsche Restaurants scharen und um die das Leben der Stadt pulsiert.

Für Freitag hatten wir einen Ganztagesausflug mit dem Bus in das Heilige Tal der Inkas gebucht. Das Tal, zwischen den Orten Pisac und Ollantaytambo, wird von dem Fluss Urubamba durch laufen. Diese beiden Orte beherbergen die wichtigsten archäologischen Denkmäler in dem Gebiet und gelten als die Präambel zu Machu Picchu. In der Inka-Mythologie hatte das Tal einen heiligen Charakter, weil sich der Fluss Urubamba an seinem Ende mit der Milchstraße, dem himmlichen Fluss, vereint.
Nachdem wir in Pisac eine Silberschmiede besucht hatten und dort eine der üblichen Verkaufsdarbietungen über uns ergehen lassen mussten, ging es zur hoch über der Stadt gelegenen Inka-Zitadelle. Es sind weniger die von den Inkas uns hinterlassenen Gebäuderuinen die uns faszinieren, sondern die großartige Art wie sie die Landschaft gestaltet haben.

Unterhalb der eigentlichen Bergfestung befinden sich die Terrassen, auf denen die Inkas ihre Landwirtschaft betrieben. Diese Terrassen ziehen sich bis ins Tal. Auch an anderen Orten findet man häufig solche Terrassenanlagen, die auch heute noch genutzt werden und deren Ursprünge bis in die Inka-Zeit zurückreichen. Das man von der Zitadelle aus einen herrlichen Rundblick auf die Berge und Täler genießen kann, versteht sich fast wie von selbst. Leider war nach den sehr guten Erklärungen unseres Guides Alfredo die Zeit etwas knapp bemessen um alle Winkel der Anlage zu erkunden; denn in der dünnen Luft auf fast 3000 m Höhe ist an schnelles gehen und Treppen steigen nicht zu denken.
Dieses Manko habe ich dann beim Besuch der Zitadelle von Ollantaytambo dadurch ausgeglichen, dass ich auf die ausführliche Erklärung verzichtete und mir diese selbst anlesen musste.
Mit langsamen Schritten habe ich die über 250 Stufen, die von der Basis über die Terrassen bis zu den eigentlichen Befestigungsanlagen führten, bezwungen. Es ist ja leider so, dass ich inzwischen immer öfter einer der Ältesten bei solchen Vorhaben bin.

Hier ganz oben auf der Anlage kann man an einigen Stellen noch die perfekte Technik der Steinbearbeitung der Inkas studieren. Die Granitblöcke sind so exakt gearbeitet, dass kein Blatt Papier in die Fugen passt.
Diese Inkafestung erhielt ihre Bedeutung dadurch, dass hier mehrere Inka-Pfade - Caminos del Inka - zusammentreffen. Wie die Wege im Römischen Reich alle nach Rom, so führten in Südamerika zur Zeit der Inka alle Wege nach Cusco, dem Nabel der Welt. Der heute bekannteste Pfad beginnt an der Bahnstation von Ollantaytambo und führt in einer viertägigen geführten Wanderung über den 4198 m hohen Abra Warmiwausqa Pass nach Machu Picchu.
Wir hatten Glück und das Wetter spielte weitgehend mit. Nur ganz vereinzelt fielen einige Regentropfen und anschließend riss die Wolkendecke wieder auf und präsentierte uns mit dem Wechselspiel von Sonne und Wolken eine ganz besondere Atmosphäre.
In Ollantaytambo verließen viele Mitreisende den Bus und stiegen um auf den Zug, der sie nach Machu Picchu brachte. Wir traten von dort die Rückfahrt nach Cusco an, die uns noch über Chinchero führte.
Der kleine, auf über 3800 m gelegene Ort, beherbergt eine sehenswerte Kathedrale, die auf den Fundamenten einer Inka-Anlage ruht.
Inzwischen war es dunkel und das Wetter hatte sich so verschlechtert, dass wir vom Besuch des Dorfes recht wenig hatten. Der kurze, steile Spaziergang in dieser Höhe war extrem anstrengend. Immer wieder bekamen wir kostenlos Matetee angeboten, hergestellt aus Kokablättern, um der gefürchteten Höhenkrankheit vorzubeugen.
Wir besuchten in dem Dorf noch eine interessante Handarbeitswerkstatt, in der wir auf anschauliche Weise die Herstellung von Alpaca-Wolle, deren Einfärbung und anschließende manuelle Verarbeitung zu Pullovern, Mützen, Tischläufern etc. gezeigt bekamen.
Am Samstagmorgen besuchten wir den Convento Santo Dominco, der auf den Grundfesten der Inka-Anlage Coricancha steht, deren Überreste erst zufällig durch ein Erdbeben im Jahre 1950 freigelegt wurden. Heute sind dies fast die einzigen steinernen Zeugen der Inkazeit im Stadtbild von Cusco. Aus dem an diesem Platz stehenden Sonnentempel, dem heiligsten Ort der Inkas an dem Hochzeiten, Krönungen und Bestattungen stattfanden, wurde durch An- und Umbauten eine christliche Kirche. Anschließend besuchten wir noch das Museo de Sitio del Qoricancha, in dem wichtige Exponate und Schautafeln zur Inka-Epoche ausgestellt sind.

Wie viele andere südamerikanische Städte, besitzt auch Cusco einen aufregenden und bunten Zentralmarkt, in dem alle Dinge des täglichen Bedarfs angeboten werden. Ein Besuch im Mercado Central de San Pedro ist ein Muss, das man sich auf keinen Fall entgehen lassen soll. Nachdem sich unsere Augen satt gesehen und unsere Nase alle Gerüche aufgesaugt hatte, machten wir uns auf den Rückweg zum Hotel.

Inge musste noch unsere Sachen für Machu Picchu zusammenpacken und ich nutzte die Zeit, um im Reisetagebuch wieder aktuell zu werden. Nach Einbruch der Dunkelheit ging es dann wieder in Zentrum, wo wir den Tag mit einem guten Abendessen abschlossen. Ich habe mich noch einmal für Cuy, Meerschweinchen, eine kulinarische Spezialität in den Anden entschieden. Ich habe in meinem Reisebericht von der Panamericana über das Cuy geschrieben: ""Entweder es war schlecht zubereitet oder man muss es nicht haben"". Heute kann ich sagen: Das Meerschweinchen war damals schlecht zubereitet.
Nur mit leichtem Gepäck starteten wir am Sonntagmorgen in Richtung Machu Picchu. Um 6:15 Uhr wartete bereits das Taxi auf uns, das uns zum Bahnhof nach Poroy, bringen sollte. Seit 2009 endet hier die Bahnlinie Cusco - Machu Picchu. Die Überraschung war groß, als wir sahen, dass der Bahnhof menschenleer und die Tore verschlossen waren. Nach der ersten Schrecksekunde fanden wir dann doch einen Mitarbeiter von Perurail, der nach mehreren Telefonaten uns erklärte, dass zur planmäßigen Abfahrtzeit uns ein aus Cusco kommender Bus aufnehmen und bis zum Bahnhof nach Pachar bringen werde. Wir hatten die Tickets bereits im vergangenen Oktober gebucht, eine lange Zeit, auf der auf der Strecke irgend etwas passiert sein muss. Wir hatten uns eigens vor einigen Tagen noch im Internet kundig gemacht, aber keinen Hinweis darauf gefunden. Aber wir wollen uns ja nicht beschweren, am Sonntagabend um 18:01Uhr, wir waren also schon 7 Stunden in Aquas Calientes, erhielten wir eine Mail mit Informationen bezüglich des notwendigen Bustransfers.

Vom Bahnhof Pachar aus lief aber alles wie geplant. Die Fahrt durch das Heilige Tal entlang des Rio Umbamba war großartig. In vielen Schleifen zwängt sich der Fluss durch das enge Tal über zahlreiche Stromschnellen dem Río Ucayali entgegen, der seinerseits in den Amazonas mündet. Manchmal ist neben den Gleisen kaum 2 Meter Platz, bevor der Hang 8 bis 10 m steil zum Fluss hin abfällt. Wir konnten immer wieder einen Blick auf den Inka-Pfad werfen und die Wanderer bewundern, die diese beschwerliche Alternative zu unserer bequemen Art zu reisen gewählt haben.
Gegen 11 Uhr erreichten wir Aguas Calientes, die Endstation der Bahn und den Ausgangspunkt für unsere Expedition zum Machu Picchu, die wir am Montag starten wollen.

Der kleine Ort mit etwa 2000 Einwohnern, der sich heute selbst ""Machu Picchu Pueblo"" nennt, wirkt wenig attraktiv und außerhalb der Bereiche, in denen sich die meisten Touristen aufhalten, auch nicht gerade gepflegt. Am Nachmittag haben wir uns dann die mit Namen und Passnummer personalisierten Eintrittskarten für Machu Picchu besorgt; denn seit einigen Jahren ist die Zahl der täglichen Besucher für das Weltkulturerbe begrenzt und wird von der UNESCO streng überwacht.