Die neue Woche begannen wir, wie wir die alte Woche beendet hatten: Mit Faulenzen. Nach so vielen Erlebnissen und noch mehr Kilometern, die wir in den letzten Wochen zurückgelegt hatten, tat ein Tag ohne Programm und ohne Fahren richtig gut. Der Herbst zeigte sich von seiner schönsten Seite. Es war angenehm warm, die Sonne lachte und die (Eich?)Hörnchen wetzten um Inges Füße. So verging auch dieser Tag wie im Fluge. Nachmittags machten wir einen kurzen Streifzug durch den Whiteshell Provincial Park und genossen den Indian Summer.
Am Dienstagmorgen folgten wir noch einmal dem Trans Canada Highway rund 100 km nach Osten, bevor wir bei Kerona nach Süden abbogen und damit auch dieser Straße endgültig Lebewohl sagten. Der Himmel war an diesem Morgen leider bedeckt, so dass wir während unserer Fahrt durch nicht enden wollende, bunte Herbstwälder die prächtigen Farben leider nicht so richtig genießen konnten. Es ging durch eine leicht hügelige Landschaft wieder vorbei an zahllosen Seen. Ich glaube, bei Sonnenschein wäre ich überhaupt nicht vorwärts gekommen, da jeder einzelne See uns zum verweilen eingeladen hätte.
Wir wählten als unser Tagesziel Nestor Falls, einen winzigen Ort zwischen dem Kakibikitchewan Lake und dem Lake of the Woods. Der See mit dem unaussprechlichen Namen ergießt sich hier unmittelbar an der Straße in einem kleinen Wasserfall, den Nestor Falls, in den Lake of the Woods. Bei einem Spaziergang entlang des Sees fanden wir dann für die Nacht noch einen besseren Platz. Nachmittags riss der Himmel plötzlich auf und die tief stehende Herbstsonne ließ die Landschaft wieder in kräftigen, prächtigen Farben leuchten.
Am Morgen wieder genau das gegensätzliche Bild: Dunkle Wolken und leichter Regen. Bald glauben wir, dass dies normal ist. Es ging zunächst nach Fort Francis und dort über die Grenze in die USA.
Der Grenzübergang gestaltete sich dieses Mal wesentlich interessanter. Wir hatten wirklich vergessen, dass wir noch eine einzelne Tomate im Kühlschrank gelagert hatten. Auf die Frage des Zöllners, ob wir Früchte an Bord hätten, antworteten wir daher mit einem überzeugten: Nein. Er bat ins Auto kommen zu können, öffnete den Kühlschrank und entdeckte sofort die Tomate. Nun hatten wir natürlich verloren. Wir wurden zu Seite gebeten und mit 3 oder 4 Mann wurde unser Wohnmobil auf das Genaueste untersucht. Am meisten Rätsel gab ihnen das Paket mit drei Hängematten auf, das ich für Peter mit nach Deutschland nehmen werde. Aber wie alles, was Peter macht, waren die Hängematten natürlich auch perfekt und hochseefest verpackt. Wenn unser Wohnmobil mit dem Schiff auf dem Atlantik versinken sollte, werden die Hängematten auch dann trocken bleiben. Dieses geheimnisvolle Paket wurde aus der Heckgarage genommen, zu einem Fahrzeug mit portablem Röntgengerät getragen und von allen Seiten intensiv durchleuchtet. Die Zöllner beschäftigten sich mehr als eine halbe Stunde damit, bevor sie von der Unbedenklichkeit der Hängematten überzeugt waren. Auf meinen Vorschlag, das Paket zu öffnen, gingen sie erst gar nicht ein. Nach einer Dreiviertelstunde durften wir, ohne dass natürlich noch etwas Beanstandenswertes gefunden wurde, weiterfahren. Wir haben aber gelernt: Schwindle nie an der USA Grenze, es macht nur Ärger und kostet zumindest Zeit.
Inzwischen lachte auch wieder die Sonne und wir fuhren anschließend, um eine Erkenntnis reicher, bis nach Gilbert in die Nähe von Virginia. Hier standen wir am "Lake Ore be gone" auf einem hübschen Platz und genießen den Rest des Tages. Der Name des Sees verrät auch schon wieder viel über seine Entstehungsgeschichte. Hier, wo heute ein reizvoller See inmitten von Mischwäldern den Besucher zum Müßiggang einlädt, herrschte bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts emsiges Treiben beim Abbau der Eisenerzvorkommen. Erst 1985 entstand durch Flutung von drei Eisenerztagebauminen in der Nähe von Gilbert (Minnesota) dieses hübsche Plätzchen. Der See gilt als Dorado der Taucher.
Auf dem Weg zum nächsten Tagesziel machten wir am Donnerstag zunächst Halt in Duluth. Die Stadt liegt am westlichen Ende des Lake Superior und ist der größte Binnenhafen der Welt. Damit haben wir auch den ersten der großen Seen Nordamerikas erreicht. Obwohl die Stadt fast in der Mitte des amerikanischen Kontinents liegt, kann sie über den St. Lorenz Seeweg vom Atlantik her von Überseeschiffen erreicht werden. Die "Altstadt" von Duluth ist recht hübsch und hat noch etwas vom Flair der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts behalten. Eine wirkliche Sehenswürdigkeit ist die Stahlbrücke, die die Einfahrt zum Hafengelände überspannt. Sie kann innerhalb einer Minute auf 68 m angehoben werden, damit auch große Pötte unter ihr hindurch in den Hafen gelangen können. Wir hatten das Glück das Schauspiel beim Auslaufen eines leeren Kohlefrachters aus dem Hafen zu beobachten.
Danach ging es weiter Richtung Süden nach Barron zum Rice Lake. Unterwegs stellten wir fest, dass die Wälder immer grüner wurden. Ein Zeichen dafür, dass wir dem Herbst noch einmal ein Stückchen davon gefahren sind. In Barron sahen wir von dem See recht wenig Wir standen bei einem Motel auf einem sehr schönen Platz und genossen die Spätsommersonne.
Der Freitag brachte nichts Besonderes. Unsere Fahrt endete gegen 15 Uhr in Wisconsin Dells. Der Ort wird im Reiseführer als sehenswert hervorgehoben. In Wirklichkeit handelt es sich um ein Städtchen, wo die nahen Großstädter aus Madison, Milwaukee und Chicago so etwas wie einen Vergnügungspark mit viel Kitsch vorfinden. Es ist eine Mischung aus Oberbayern, Disneyland und Hassloch in der Pfalz. Ob man das wirklich sehen muss?
Für Samstag stand dann der zweite der 5 großen Seen auf dem Programm. Von den Wisconsin Dells führte unser Weg direkt nach Milwaukee Downtown. Wir hofften, dass das Büro des amerikanischen Automobilclubs AAA auch am Samstagmorgen geöffnet hat, damit wir uns mit neuem Informationsmaterial über die Oststaaten der USA eindecken konnten. Pech gehabt. Also nutzten wir die Möglichkeit zu einem kleinen Stadtbummel. Milwaukee hat im Gegensatz zu anderen amerikanischen Städten, die wir auf unserem Weg besucht haben, einen netten, fast ein wenig europäisch anmutenden Stadtkern.
Anschließend ging es einige Kilometer nach Norden, wo wir unseren Neffen Janni, der zurzeit hier an der Uni sein Wissen vertieft, besuchten. Es gab viel zu erzählen und er berichtete über seine ersten Eindrücke vom Land und von der Uni.
Milwaukee ist auch die Stadt in den USA mit der höchsten deutschstämmigen Bevölkerungsdichte. Und so war es kein Wunder, dass wir um diese Jahreszeit natürlich ein Oktoberfest besuchen mussten. Jährlich richtet die "United German Society" im Heidelberg Park von Milwaukee ein Oktoberfest aus, bei dem natürlich hauptsächlich bayrische Töne zu hören und Trachten zu sehen sind. Alle Amerikaner, mit denen wir ins Gespräch kamen, wurden entweder noch in Deutschland geboren oder wenigstens die Eltern oder Großeltern stammten noch vom alten Kontinent. Auffallend war aber, dass kaum noch einer wirklich Deutsch sprechen konnte. So verging der Abend schnell bei lustigen Gesprächen, gutem, echt bayrischem Bier und Spanferkel.
Eigentlich wollten wir am Sonntag nur die kurze Strecke von Milwaukee nach Chicago zurücklegen. Aber schon die Suche im Internet nach einem vernünftigen, sicheren Platz für unser Wohnmobil, von dem wir aus hätten die Stadt erkunden können, war erfolglos. Die nächsten RV Parks oder Campgrounds sind 70 bis 80 Kilometer von Downtown Chicago entfernt. Wir versuchten unser Glück ein weiteres Mal bei Walmart im Norden der Stadt. Uns fiel gleich auf, dass permanent ein Auto einer Security Firma auf dem Parkplatz kreiste. Außerdem beobachteten wir, wie Autofahrer, die zum einkaufen hier her kamen, ihr Fahrzeug zusätzlich mit einem Lenkradblocker sicherten. Das schien uns dann doch nicht der geeignete Platz, um unser Wohnmobil unbeaufsichtigt stehen zu lassen.
So kam es, dass unser Besuch in Chicago äußerst kurz aus fiel. Wir bekamen aber zumindest einen kleinen Eindruck von der Stadt, da unser Weg direkt durch das Zentrum führte. Selbst am Sonntagnachmittag ist der Verkehr höllisch und ich war froh, als ich nach etwa einer Stunde Fahrt wieder ruhigere Straßen erreicht hatte. Wir fuhren dann noch etwa 100 km um das südliche Ende des Lake Michigan und fanden auf einem Campingplatz unmittelbar am See eine sichere Bleibe für die Nacht. Vom Seeufer aus konnten wir dann noch, bei einem herrlichen Sonnenuntergang, die gut 80 km entfernte Skyline Chicagos bewundern.