Eine Woche in den kanadischen Rockies

12.09.2010 Fort Macleod
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Die neue Woche begann mit einem grausamen Wetter. Schon in der Nacht hatte der Regen wieder eingesetzt und er machte auch keine Anstalten, sich so schnell geschlagen zu geben. Wir durchfuhren den Glacier National Park Richtung Osten und erreichten die erste Passhöhe von ca. 1370 m, ohne die Umgebung richtig wahrnehmen zu können. Alles war grau in grau. Schade, denn die Strecke durch den Nationalpark ist als besonders schön bekannt. So konnten wir nur ahnen, dass es diese auch in Schön gibt. Kurz hinter dem Nationalpark gelangten wir in eine neue Zeitzone. Wir folgten dem Kicking Horse River ein kurzes Stück nach Süden, bevor wir in den Yoho National Park gelangten.
Die Namen der Flüsse und Bäche erwecken Erinnerungen an Wildwestfilme. Seit Ankunft in Vancouver sind uns schon der Lost Shoe Creek, der Dead Men River und jetzt eben der Kicking Horse River begegnet. Allein ihre Namen erzählen schon die abenteuerlichsten Geschichten. Kurz hinter dem Lost Shoe Creek querten wir dann auch noch den Lost Shoe Creek 2 und man stellt sich sofort vor, wie der arme Kerl nach dem Verlust des ersten Schuhs nun auch noch den zweiten im reißenden, kalten Gebirgsbach zurücklassen muss.
Um die Steigungen zum Kicking Horse Pass überhaupt nehmen zu können, muss die Canadian Pacific Railway im Yoho National Park sich durch zwei Spiraltunnel in die Höhe schrauben. Vom Highway 1 aus kann man sehr schön beobachten, wie sich die endlos langen Güterzüge in die Tunnel hinein schieben und die Lokomotive schon längst wieder den Tunnel verlassen hat, bevor der letzte Wagon im Tunnel verschwunden ist.



Eine weitere Passhöhe musste genommen werden, bevor wir die Provinzgrenze zu Alberta und damit den Banff National Park erreichten. Das Wetter hatte sich zwar etwas stabilisiert, aber schön konnte man es noch lange nicht nennen. Unser Tagesziel hieß Lake Louise, eine kleiner, herrlich türkisblau schimmernder Gletschersee, in dem sich bei schönem Wetter die umliegenden Berge spiegeln. Da der Regen eine Pause eingelegt hatte, nutzten wir diese und machten einen knapp 3 km langen Spaziergang am See entlang, bis an die Stelle, wo bis vor wenigen Jahren noch die Gletscherzunge hinreichte. Auf dem Rückweg wurde es doch schon empfindlich kalt und so machten wir es uns für den Abend und die Nacht auf einem nahe gelegenen Stellplatz gemütlich.



Nachts setzte der Regen erneut ein. Für den Dienstag war die ca. 240 km lange Fahrt auf dem Icefield Parkway nach Jasper vorgesehen. Der Icefield Parkway gilt als die schönste Hochgebirgsstrecke Kanadas in den Rocky Mountains. Leider geriet auch diese Fahrt zu einer Reise durch Regenschauer und tief hängende Wolken. Wir legten zwar einige Fotostopps ein, deren Ergebnisse aber eher Schwarzweißbildern, als den bekannten Postkartenmotiven ähneln.



In unmittelbarer Nähe des Columbia Icefields, dem größten zusammenhängenden Gletschergebiet der kanadischen Rockies, befindet sich auch das Icefield Center, in dem man Allerlei über den Gletscher erfahren kann. Wir sind aber der Meinung, dass man auf den Besuch gut verzichten kann und stattdessen lieber einen Spaziergang zum Gletschermund unternehmen soll. Auch wenn das Wetter nicht so war wie es sein soll, so beeindruckt der Gletscher trotzdem mit seinen gigantischen Eismassen.
Weiter ging es anschließend über den Icefield Parkway, vorbei an schroffen Felswänden, deren oberes Ende in den Wolken verschwand und an herrlich gelegenen Gebirgsseen. Nachmittags erreichten wir dann Jasper, eine kleine, 5000 Einwohner zählende Stadt, die überwiegend vom Tourismus lebt. Hier in Jasper hat man den Eindruck, in der Hauptstadt der Wohnmobillisten zu sein. Fast jedes zweite Fahrzeug ist ein Wohnmobil.
Auf unserer bisherigen Fahrt durch Kanada haben wir noch nichts von der sprichwörtlichen Einsamkeit der kanadischen Weiten erfahren. Überall drängen sich auch zu der jetzigen Jahreszeit noch massenhaft die Menschen. Das wird sich wohl erst ändern, wenn wir die Rocky Mountains verlassen haben und uns weiter nach Osten bewegen.



In den nächsten Tagen haben wir uns aber zunächst die Umgebung von Jasper angeschaut, um uns anschließend wieder südwärts auf dem Icefield Parkway nach Banff zu bewegen. Wir hofften, dass der Wettergott uns dann wieder besser gesonnen sei.
Wir mieteten uns für zwei Tage auf dem Whistler Campground in Jasper ein; denn freies Stehen ist im Nationalpark nicht erlaubt.



Am Mittwoch unternahmen wir von Jasper aus einen Ausflug zum Maligne Canyon und anschließend weitere zum Maligne Lake. Das Wetter war wie gehabt, aber Gott sei gedankt, kein Regen. Der Maligne River hat sich in Jahrtausende währender Arbeit einen Weg durch das weiche Sandsteingebirge im Osten von Jasper gegraben und dabei einen bizarren Canyon ausgebildet, bevor er in den Athabasca River mündet. Auf ca. 2 km Länge stürzt sich der Fluss hier gut 100 m in die Tiefe. In gut 1,5 Stunden wanderten wir bis zum unteren Ende des Canyon und anschließend wieder bergauf.
Weiter ging es dann flussaufwärts, vorbei am Medicine Lake, der jetzt in der Spätsommerzeit nur als breite Schlammebene das Tal ausfüllt. Im Frühling nach der Schneeschmelze bietet er sich dagegen als großer, blaugrüner Gebirgssee dar. Das besondere an diesem See ist, dass er keinen erkennbaren Abfluss hat. Irgendwo am Seeboden verschwindet das Wasser im porösen Sandsteinuntergrund und tritt zu größten Teil erst wieder im gut 20 km entfernten Maligne Canyon zu Tage.



Nach weiteren 20 km erreichten wir dann unser Tagesziel, den Maligne Lake. Der See liegt malerisch vor einer majestätischen, gletscherbedeckten Bergkulisse. Bei Sonnenschein würde hier zwangsläufig jedes Foto Postkartenqualität erreichen.



Donnerstag schlugen wir dann wieder den Weg über den Icefield Parkway nach Süden ein. Unterwegs besuchten wir die Athabasca Falls und die Sunwapta Falls. Beide Wasserfälle sind zwar nicht besonders hoch, doch die auch im Sommer noch immer recht viel Wasser führenden Flüsse stürzen sich mit viel Donnern und Getöse kraftvoll in die Tiefe.
Am Columbia Icfield, dort wo der Gletscher am nächsten an die Straße herantritt, machten wir für diesen Tag Halt.



Na also, es geht doch. Am Freitagmorgen sah die Welt schon viel besser aus. Wenn auch kein strahlend blauer Himmel herrschte, so waren die Wolkenlücken doch groß genug, damit die Sonne die Bergspitzen und Gletscher ringsum herrlich beleuchten konnte. Auf dem Weg nach Banff legten wir immer wieder einen Fotostopp an Gletschern, Wasserfällen, Seen und Canyons ein, um all die Fotos zu schießen, zu denen wir in den vergangenen Tagen nicht kamen. Beim Sonnenschein wurde noch deutlicher, wie nahe bereits der Herbst mit seinen Farbenspielen ist.



Als wir gegen 15.30 Uhr in Banff eintrafen, hatte sich auch der Himmel schon wieder kräftig mit Wolken verhangen. Nach dem Einkaufen und einem kurzen Bummel durch die Stadt, zogen wir uns auf den Stellplatz am Tunnel Mountain zurück. Kaum waren wir auf dem Platz, übernahm auch schon wieder der Regen die Regie über das Wettergeschehen.



Den Samstag ließen wir ganz gemütlich angehen. Für den Tag stand nur ein Besuch in der Stadt an. Banff selber ist ein sehr schöner und gepflegter Ferienort, den man vielleicht als St. Moritz der Rocky Mountains beschreiben könnte. Es gibt keine großartigen Sehenswürdigkeiten, dafür aber jede Menge hübscher Lokale und Boutiquen, in denen der zahlungskräftige Tourist sein Geld spielend anlegen kann. Auf der Banff Avenue, der exklusiven Hauptstraße, fand gerade ein Triathlonwettkampf statt, dessen Ende wir noch erleben konnten. Banff liegt am Ufer des Bow Rivers, der wenige hundert Meter außerhalb der Stadt mit lautem Getöse sich um etwa 10 Meter in die Tiefe stürzt. Hoch über den Wasserfällen thront das Banff Springs Hotel, eine Nobelherberge, die Anfang des 20. Jahrhunderts von der Canadian Pacific Railway Company für zahlungskräftige Reisende gebaut wurde. Das schlossartige Hotel hat bis heute noch nichts von seiner Exklusivität eingebüsst. Jetzt in der Nebensaison muss man für eine Übernachtung ohne Frühstück immerhin noch 429 $ auf den Tisch legen.



Am Abend suchten wir uns dann ein etwas weniger exklusives, aber dafür typisch kanadisches Restaurant aus. Zum Dinner ließen wir uns so richtig verwöhnen. Inzwischen war es merklich kalt geworden. Das Thermometer zeigte nur noch etwas mehr als 8° C an und es blies ein scharfer Wind. Schnell ging es mit dem öffentlichen Bus wieder zurück zu unserem Womo, wo wir die Heizung anwarfen und es uns noch ein wenig gemütlich machten.
Damit war unser Besuch in den kanadischen Rockies zu Ende. Am Sonntag verließen wir Banff auf dem Canada Highway 1 Richtung Osten. Wir umfuhren Calgary südlich und bewegten anschließend uns Richtung USA. Auf der Fahrt Richtung Süden bekamen wir den ersten Eindruck davon, wie groß, flach und langweilig der Mittlere Westen Amerikas sein wird. Die einzige Abwechslung bestand darin, dass das Getreide auf den endlosen Getreidefeldern teilweise schon abgeerntet war und teilweise noch auf den Halmen stand. Am Sonntagabend standen wir in Fort Macleod, ca. 85 km nördlich der US-Grenze.





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