Nach einer Woche haben wir uns auch schon wieder an unser kleines Zuhause und an das Zigeunerleben gewöhnt. Es ist ein seltsames Gefühl von Unabhängigkeit und Freiheit, was wir auf unseren Reisen mit dem Wohnmobil kennen und lieben gelernt haben. Dazu kommt hier noch die große räumliche Distanz zu unserer Heimat, die manche Probleme, die in Deutschland die Nachrichten beherrschen, unbedeutend und nebensächlich erscheinen lassen.
Wie schon im letzten Bericht angekündigt, ging es am Montagmorgen von Port Angeles mit der Fähre nach Vancouver Island. Der Himmel war strahlend blau und die See ruhig, so dass wir die 90 Minuten der Überfahrt nach Victoria voll genießen konnten. Victoria ist nicht nur die Inselhauptstadt, sondern zugleich auch die Hauptstadt von Britisch Columbia. Wie es sich gehört, statteten wir als erstes dem Provinzparlament einen Besuch ab. Der neoklassizistische Bau stammt vom Ende des 19. Jahrhunderts. Der schönste Raum des Gebäudes war natürlich der Plenarsaal, den man zwar nicht betreten darf, dessen Türen aber weit offen standen und dem Besucher Einblick gewährten.
Weiter ging es dann in einem Streifzug kreuz und quer durch die Stadt. Direkt am Hafen dominiert die beeindruckende Kulisse des Luxushotels Empress das Stadtbild. Dieser Prachtbau der Canadian Pacific Railway Company wurde 1908 eröffnet und versetzt den Gast mit seinen Räumlichkeiten zurück in die Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Insgesamt hinterlässt Victoria den Eindruck einer kleinen beschaulichen englischen Provinzstadt.
Nachmittags besuchten wir den Butcharts Garden, angeblich einer der schönsten Gartenanlagen der Welt. Die Anlage wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von Jenny Butchart, der Gattin eines Zementfabrikanten, in einem aufgelassenen Steinbruch begonnen und über Jahrzehnte vervollkommnet. Die Blütenpracht mit Worten zu beschreiben, ist mir unmöglich. Die nachfolgenden Bilder mögen einen kleinen Eindruck davon vermitteln.
Für die Nacht fanden wir einen Platz am Trans Canada Highway, der von Victoria bis Nanaimo über die Insel verläuft.
In der Nacht fing es furchtbar an zu regnen und auch der Dienstag machte vom Wetter her nicht besonders Spaß. Wir bewegten uns zunächst nach Norden bis Nanaimo und machten uns über die Fährverbindungen zurück zum Festland schlau. Die Fähren verkehren ca. alle 70 Minuten und eine Reservierung ist jetzt am Ende der Saison nicht mehr notwendig, so dass wir die kommenden Tage einfach auf uns zu kommen lassen konnten und keinem Zeitdiktat unterworfen waren.
Unser Tagesziel war Port Alberni, einer kleinen Hafenstadt mitten in der Insel, die am Ende eines 70 km langen Fjordes liegt, der sogar von Hochseeschiffen befahren werden kann. Wir fanden auf einem ruhig gelegenen, schönen Parkplatz in der Mitte des Städtchens einen Übernachtungsplatz. Inzwischen hatte sich auch das Wetter stabilisiert und wir konnten noch einen Bummel durch den Ort machen. Dabei entdeckten wir auch ein kleines Fischgeschäft, in dem wir frischen Wildlachs kauften.
Zum Dinner gab es dann als Vorspeise Riesengarnelen und als Hauptgang gebratenes Wildlachsfilet mit wohmmobilgemachter Knoblauchremoulade. Dazu tranken wir einen köstlichen Chardonay. So kamen wir zum ersten Mal in unserem Leben in den Genuss von frischem Wildlachs, das ist doch auch etwas, oder?
Am Mittwoch setzten wir unsere Fahrt quer über die Insel fort. In einem ständigen Auf und Ab und durch viele Kurven erreichten wir dann die Westküste der Insel. Die bereits doch recht tief stehende Sonne lachte von einem strahlend blauen Himmel und ließ alle Farben recht kräftig erscheinen. Manche Bäume entlang der Straße tragen rote Früchte und die Brombeeren am Straßenrand schmeckten herrlich. Der Herbst war spürbar und es war wohl bereits ein erster Hauch des Indian Summers, den wir hoffentlich in den nächsten Wochen noch ausgiebig auf unserer Fahrt nach Osten genießen zu können.
Wir durchquerten den Pacific Rim National Park und erreichten gegen Mittag Tofino, ein kleiner Fischerort an der Spitze einer Halbinsel gelegen, der aber heute überwiegend vom Tourismus lebt. Nach einem kurzen Aufenthalt ging es zunächst zum Long Beach, wo wir uns vom pazifischen Ozean verabschiedeten. Seine Ufer berührten wir im letzten Jahr von Patagonien im Süden bis hinauf nach Kanada immer wieder. Er war so etwas wie ein roter Faden auf unserer Reise nach Norden.
Für die Nacht hatten wir uns einen Stellplatz am anderen Ende der Halbinsel in Uclueler (indianisch: sicherer Hafen) ausgesucht, wo wir einen herrlichen Blick über den Jachthafen hin zu den nahen Bergen genossen.
Nach einer ruhigen Nacht traten wir am Donnerstagmorgen die Rückreise in Richtung Festland an. Gegen Mittag erreichten wir wieder Namaimo und damit auch wieder den Canada Highway, der uns für die nächsten Wochen die grobe Richtung unserer Reise vorgeben wird. Wir werden zwar noch einige größere Abstecher in Nationalparks unternehmen, doch die Reise geht nach Osten und damit auch Richtung Neuwied.
Der Wettergott spielte wieder mit und so konnten wir die Überfahrt mit der Fähre am Sonnendeck genießen. Langsam wurden die Konturen von Vancouver Island immer unschärfer und dafür trat die Skyline von Vancouver City immer deutlicher hervor und schemenhaft überragte in der Abendsonne der schneebedeckte Mount Rainier die Front der Wolkenkratzer.
Die Fähre brachte uns an den nördlichen Rand der Stadt. Auf dem Canada Highway umfuhren wir Vancouver in südöstlicher Richtung und fanden im etwa 50 km entfernten Abbotsfort in einer ruhigen Wohnstraße ein Quartier für die Nacht.
Der Canada Highway folgt von Vancouver kommend den Trassen des Canadian Pacific Railway und des Canadian National Railway, die sich am jeweils gegenüberliegenden Flussufer, zunächst des Fraser Rivers und später des Thompson Rivers, entlang schlängeln.
Die Fahrt ging bis Hope nach Osten und drehte dann nach Norden ab. Hier fließt der Fraser River durch eine enges, zu beiden Seiten von schroffen Felsen begrenztes Tal, den Fraser Canyon. Am Hell´s Gate legten wir eine Pause ein und fuhren mit der Seilbahn ca. 200 Meter hinab in die Schlucht, wo sich die Wassermassen des Fraser Rivers (durchschnittlich 900 Millionen Liter Wasser pro Minute) durch einen nur 36 Meter breiten Felsdurchbruch zwängen. Es ging dann weiter nach Lytten, einem kleinen, verträumten Städtchen am Zusammenfluss von Fraser und Thompson River. Von hier aus folgten wir genau wie die Eisenbahnlinie dem Thompson River und standen für die folgende Nacht in der Nähe von Spences Bridge etwas oberhalb des Flusses auf einen RV Platz. Am Abend konnten wir im Dämmerlicht am gegenüberliegenden Flussufer auch den ersten Bären beim Lachs fangen beobachten.
Bei einem kurzen Spaziergang zum Flussufer stach uns ein beißender Fischgeruch in die Nase. Wir sahen einige tote Lachse im Wasser treiben, die scheinbar den Strapazen des Aufstiegs zu den Laichplätzen nicht gewachsen waren.
In der Nacht hatten wir das Gefühl, mit unserem Wohnmobil in Leutesdorf am Rhein zu stehen. Genau wie dort, donnerten auch hier an beiden Ufern des Flusses die schweren Güterzüge entlang und die Geräusche der Schwerlaster, die auf dem Canada Highway dahin rollten, boten eine zusätzliche Untermalung. Im Unterschied zu den Zügen auf der Rheinstrecke, wollen die kanadischen Züge gar nicht enden. Der längste Zug, den wir beobachtet hatten, hatte 120 Wagons mit Containern, plus 3 Lokomotiven. Wenn ein Wagon auch nur 20 Meter lang ist, erreicht der gesamte Zug schnell eine Länge von 2,5 km.
Am Samstag spielte das Wetter nicht so recht mit. Immer wieder schauerte es. Wir fuhren über Kamloops, wo wir unsere Vorräte auffüllten weiter nach Sorento an den Shuswap Lake. Hier lernten wir ein Ehepaar aus Hessen kennen, das sich eine Auszeit nimmt und mit seinen beiden kleinen Kindern (1 und 4 Jahre alt) die Welt erkunden will. Wir saßen abends noch sehr lange zusammen und erzählten von unseren Erfahrungen in Mittel- und Südamerika. Wir wünschen den Vieren viel Glück auf ihrer Weiterreise. Vielleicht hören wir ja noch einmal voneinander.
Am Sonntag starteten wir erst nach Mittag unsere Weiterreise. In Craigellachie, dort wo sich die beiden Bautrupps von Osten und Westen kommend im Jahre 1885 trafen und den Schienenweg des Canadian Pacific Railway vollendeten, machten wir eine Pause, bevor es an die heißen Quellen zwischen Revelstoke Nationalpark und Glacier Nationalpark weiterging. Vor den Abendessen nahmen wir noch ein Bad im 40 Grad heißen Wasser der Mineralquellen.