Es ist gar nicht so einfach, wieder den Faden zu finden und das Reisetagebuch fortzusetzen. Ich hoffe aber, dass es mir gelingen wird und ich Euch in den nächsten Wochen von interessanten und schönen Dingen erzählen kann.
Am vergangenen Dienstag starteten wir also den zweiten Teil unsere Grand Tour. Fast schon wie gewohnt brachte uns Christel nach Montabaur zum Bahnhof, von wo es dann mit dem ICE zum Flughafen Frankfurt ging. Unsere Maschine startete pünktlich um 13.40 Uhr Richtung Ottawa. Von dort ging es dann nach einem kurzen Aufenthalt weiter an die Pazifikküste nach Vancouver. Da wir erst spät abends ankamen, verbrachten wir die erste Nacht in einem Hotel.
Der Mittwoch begann schon etwas ungewöhnlich. Kein Wecker hieß uns aufstehen, kein Licht brannte. In großen Teilen von Richmond, wo unser Hotel lag, war der Strom ausgefallen. Entsprechend mager fiel auch das Frühstück aus, das wir darüber hinaus noch bei Kerzenlicht zu uns nehmen mussten.
Natürlich funktionierte auch das Telefon nicht, so dass uns die freundliche Dame an der Rezeption uns ein Taxi über ihr privates Handy rufen musste. Prompt gerieten wir auch noch in einen Stau, der die Kosten für das Taxi in beachtliche Höhen trieb. Ich war schon fast gewillt, dies Alles als schlechtes Omen zu deuten. Meine Ängste waren aber total unbegründet. Wir erreichten dann wohlbehalten den Tilbury Park Storage in Delta, wo sich unser Wohnmobil die letzten 10 Wochen von den Strapazen der langen Reise ausgeruht hatte. Wir wurden äußerst freundlich empfangen. Der Storage wird von Vater und Sohn gemeinsam betrieben, die auf unser Auto achtgaben, als sei es ihr eigenes. Aus gemacht war, dass wir pro angefangenen Monat 125 kanadische Dollar plus Tax zahlen sollten. Das waren nach meiner Rechnung 3 Monate, aber uns wurden nur die vollen Monate in Rechnung gestellt. Wir fanden das richtig toll und können nur allen Wohnmobilisten, die in der Nähe von Vancouver einen Unterstellplatz für ihr RV suchen, diesen Speicher wärmstens empfehlen.
Die nächsten drei Nächte verbrachten wir dann auf einem sündhaft teuren RV-Park in Burnaby, von dem aus wir zunächst am Donnerstag die City von Vancouver und am Freitag den Olympiaaustragungsort Whistler besuchten.
Von Vancouver City war ich ein wenig enttäuscht. Alle, die mir von der Stadt erzählten, waren immer hell auf von ihr begeistert. Diese Begeisterung kann ich beim besten Willen nicht teilen. Die Stadt ist sauber und hat auch einige hübsche Ecken, wie beispielsweise die Water Street mit ihren Boutiquen und Lokalen, kann aber nach meiner Meinung mit San Francisco in keiner Weise konkurrieren. Etwas Besonderes gibt es aber doch: Die Dampfuhr in der Waterstreet. In der Uhr ist eine kleine Dampfmaschine eingebaut, die für den notwendigen Antrieb sorgt. Früher wurde der Dampf an Ort und Stelle produziert, heute ist die Uhr an das Fernwärmenetz der Stadt angeschlossen.
Was wirklich schön ist, ist die Landschaft, in die Vancouver eingebettet ist. Das Meer und die direkt hinter der Stadt aufragenden Berge der Coast Mountains, das ist schon beeindruckend.
Der Abstecher nach Whistler lohnte alleine schon wegen der Fahrt dorthin. Der Highway 99 führt über lange Strecken unmittelbar an der Küste entlang und gewährt atemberaubende Blicke über die zerklüftete Küstenlandschaft mit ihren unzähligen Inselchen. Whistler liegt in einen Seitental, ca. 50 km vom Meer entfernt in einer ebenfalls herrlichen Landschaft. Was ich noch nie gesehen habe, das gab es hier: Die Leute rasten jetzt in den Sommermonaten auf Moutainbikes die Skipisten herunter.
Bestimmt ein tolles Erlebnis, aber nichts für mich. Der Ort selber ist hübsch, mit vielen netten Lokalen, Boutiquen und allem sonst, was der moderne Urlauber so braucht. Man kann hier ganz leicht sein Geld ausgeben.
Wir haben uns etwas zurück gehalten, weil wir ja noch einige Tage länger unterwegs sein wollen.
Für Samstag um 13 Uhr hatten wir uns bei Boeing in Everett, das ist ca. 30 nördlich von Seattle, angemeldet. Von unserem Stellplatz aus waren das ca. 170 km, für die ich mit Grenzübergang 4 Stunden eingeplant hatte. Das war aber eine absolute Fehlkalkulation. Nach 30 Minuten waren wir ca. 1500 m vor der Grenze angekommen. Für die restlichen 1500 m benötigten wir aber sage und schreibe 4 volle Stunden, anschließend durften wir noch einmal eine gute Stunde am Einreiseschalter verbringen. Der Grenzübergang von Mexiko in die USA war dagegen ein blitzschnell. Damit war natürlich unser Termin zur Werkbesichtigung geplatzt. Wir fuhren trotzdem nach Everett und hofften auf nachsichtige Mitarbeiter von Boeing, was auch tatsächlich der Fall war. Wir durften dann noch um 15.30 Uhr an der Führung teilnehmen.
Wir wurden durch die Fertigungshallen des Jumbojets 747 und der Boeing 777 und des Dreamjets 787 geführt und konnten die einzelnen Fertigungsschritte beobachten. Die Halle, in den die Fertigung stattfindet, ist das größte Gebäude der Welt, entsprechend klein wirkt darin sogar der Jumbojet. Auf dem Firmengelände und in den Fertigungshallen durften wir leider keine Fotos gemacht werden, so dass ich diese Eindrücke nicht optisch festhalten konnte.
Die folgende Nacht verbrachten wir auf einen RV-Platz in der Nähe von Everett, der etwas gewöhnungsbedürftig war. Wir standen hier in der Mitte von Wohnwagen und Wohnmobilen, in den Menschen der abgestürzten amerikanischen Mittelschicht lebten. Die Leute mit denen man sprach waren alle nett, aufgeschlossen und hilfsbereit. Ihre Reden führten aber sehr schnell in die Zeiten zurück, in denen es ihnen besser ging. Ich glaube, wir haben hier unmittelbar Menschen am Ende des amerikanischen Traums erlebt.
Unsere Reise führte uns dann nach Seattle. Zunächst statteten wir den Space Needle im Seattle Center einen Besuch ab und verschafften uns von oben einen Überblick über die Stadt. Anschließend ging es zu Fuß nach Downtown. Die City von Seattle hat uns ausgesprochen gut gefallen. Vielleicht lag es auch daran, dass wir dieses Mal gar keine Erwartungen hatten. Die Innenstadt ist durchsetzt mit Wolkenkratzern, die aber nicht erschlagend wirken. Auf den Plätzen herrscht reges Treiben und an der Waterfront findet der hungrige Magen ausreichend Gelegenheit sein Verlangen zu stillen. Es war zwar nur ein kurzer Besuch, der sich aber gelohnt hat.
Die Straße führte uns dann in einem weiten südlichen Bogen um die verzweigten Wasserarme des Puget Sounds herum nach Norden durch die Ausläufer des Olympic National Parks in den beschaulichen Fischerei- und Hafenort Port Angeles, von wo wir am kommenden Montag in aller Frühe die Fähre nach Victoria, der Hauptstadt von Vancouver Island und damit zurück nach Kanada nehmen werden.