Unser Tagesziel für Montag lautete Tepotzotlan, eine kleine Stadt im Norden von Mexiko City. Um 8 Uhr waren alle startklar. Wir fuhren im Konvoi und zwei Autos des mexikanischen Automobilclubs sollten uns eskortieren und durch den chaotischen Großstadtverkehr lotsen. Unserer Reiseleitung war nicht bekannt, dass seit ihrer letzten Panamericana-Tour im Jahre 2007, ein weiterer Straßenring um die mexikanische Hauptstadt fertig gestellt wurde. Auf dieser neuen Straße umgingen wir großräumig den Stadtkern. Auch der angekündigte Anstieg auf über 3100 Meter entfiel. Die gefahrene Strecke war zwar 50 km länger als die geplante Route, dafür ging es aber in bequemer Fahrt zum Tagesziel.
Auf dem Campingplatz wurden wir bereits erwartet. Ein großes Banner über der Einfahrt hieß die Teilnehmer der Panamericana-Tour 2009/2010 willkommen. Zur Begrüßung gab es sogar etwas zu knabbern und ein Bier. Der Stellplatz hier im Norden der City ist groß, gepflegt und verfügt über alle notwendigen Ver- und Entsorgungseinrichtungen.
Hier, ca. 35 km nördlich der Metropole, stehen wir nun für die nächsten 4 Nächte.
Am Dienstag ging es dann mit dem Bus zur Stadtbesichtung in Zentrum. Mexiko-City ist mit geschätzten 22 Millionen Einwohnern die größte Stadt auf der Erde. Außer im Bankenzentrum findet man selten Gebäude, die höher sind als 2 bis 3 Stockwerke. Entsprechend ausufernd gibt sich die Stadt. Die Einfallstraßen sind 6- bis 8-spurig und können den Verkehr kaum fassen. Für die relativ kurze Strecke benötigten wir fast zwei Stunden.
Die wichtigsten Gebäude gruppieren sich im Zentrum um die Plaza de la Constitution, dem zentralen Platz der Hauptstadt. Unser erstes Ziel war der Präsidentenpalast, dessen Innenhof und Treppenhaus der Künstler Diego Rivera mit riesigen Wandmalereien versehen hat, die die mexikanische Geschichte illustrieren. Alleine um diese Gemälde in Ruhe betrachten und studieren zu können, wäre mehr Zeit notwendig gewesen, als uns für die gesamte Besichtigung der Stadt zur Verfügung stand.
Vom Präsidentenpalast ging es dann zur Kathedrale an der Nordseite des Platzes. Eine erste Kathedrale wurde im Jahre 1525 begonnen und wieder zerstört. Der Bau der heutigen Kathedrale begann im Jahre 1563 und es dauerte 250 Jahre, bis der wuchtige aus Sandstein und Basalt erstellte Bau fertig gestellt war. Im Innern entfaltet eine unglaubliche Pracht ihre Wirkung und unterstreicht den Machtanspruch der katholischen Kirche im spanischen Mexiko. Hinter der Kirche sind noch Spuren der alten Aztekenstadt Tenochtitlán zu finden, die die Spanier bei ihrer Ankunft fast vollständig zerstörten.
Es gibt Städte, die man nicht gesehen hat, wenn man ihre wichtigsten Museen nicht besucht hat. In Mexiko Stadt ist es das anthropologische Museum, in dem die Schätze der vorspanischen, mesoamerikanischen Kultur ausgestellt werden. Haben wir in den vergangenen Tagen und Wochen unsere Aufmerksamkeit hauptsächlich den architektonischen Überbleibseln dieser vergangenen Epochen gewidmet, so konnten wir hier die kleinen bis mittelgroßen Funde, wie Schmuck, Keramik, Masken, Skulpturen und vieles mehr bewundern, die das Leben der damaligen Menschen fassbar machen. Die Gegenstände stammen zum Großteil aus Grabbeigaben und Funden rund um die Pyramiden. Die gut zwei Stunden, die wir im Museum verbrachten, reichten ebenfalls nur, um einen groben Überblick zu erhalten.
Anschließend besuchten wir im Zentrum der Stadt die Aussichtsplattform im 42. Stockwerk des Torre Latinamericana und schauten uns den Moloch Mexiko City von oben an. Am Horizont verschwanden die Häuser im Dunst und es waren keine Grenzen der Stadt auszumachen. Den Abschluss bildete dann noch ein Besuch der Basilika Guadalupe. Neben der alten, im 19ten Jahrhundert erstellten Wallfahrtskirche, steht ein moderner 1976 gebauter Kirchenbau, der durch seine moderne Architektur besticht. Erbaut wurde die Kirche von dem Architekten Pedro Ramirez Vázquez, von dem auch der Bau des Anthropologischen Museums stammt. Nach 12 Stunden Stadtbesichtigung fielen wir abends todmüde ins Bett.
Auf unserer Stadtrundfahrt haben wir auch wieder Janette aufgelesen, auf deren Anwesenheit wir seit Guatemala verzichten mussten. Sie hatte für mich auch einen neuen Kühlerlüfter im Gepäck, so dass die Leiden unseres Wohnmobils bald ein Ende finden werden.
Mexiko City hat uns alle überrascht. Die Stadt ist riesig, es gibt wohlhabende und arme Stadtteile, aber überall ist es erstaunlich sauber. Die Parks wirken gepflegt, der Rasen auf den Mittelstreifen der breiten Straßen, egal ob in der City oder in Randbezirken, ist geschnitten und ich möchte fast behaupten, dass der Müll weniger ist, als in mancher europäischen Großstadt.
Der Mittwoch war dann dem Besuch der Aztekenstadt Teotihuacan im Nordosten von Mexiko City vorbehalten. Teotihuacan ist eine Schwesterstadt von Tenochtitlán. Nichts ist bekannt über die Erbauer von Teotihuacan, ihre Kultur und ihre Sprache. Man nahm lange Zeit an, dass die Tolteken die Stadt gründeten. Neuere Funde in Tula zeigen aber, dass Teotihuacan bereits ca. 200 Jahre bevor die Tolteken in der Lage waren, solche Städte zu bauen, verlassen und zerstört wurde. Die Geschichte Teotihuacans reicht bis 600 Jahre vor Christus zurück und endete ca. 750 n. Chr. Genauso wie ihre Anfangszeit, liegen auch die Gründe für den Untergang dieser großartigen mesoamerikanischen Kultur im Dunkeln.
Auch in Teotihuacan ist nur ein Teil der insgesamt auf über 20 qkm geschätzten Anlage ausgegraben und dem Besucher zugänglich. Die Dimension ist gigantisch. Die beiden die Anlage dominierenden Gebäude sind die Mond- und die Sonnenpyramide. Die Mondpyramide begrenzt die Calzada de la Muertos im Norden. Rechts und links dieser breiten Straße findet man zahllose Tempelanlagen. Sie reichte über den Rio San Juan hinaus. Nach etwa 500 m auf ihrer linken Seite findet man dann die Sonnenpyramide. Wenn man die Mondpyramide besteigt, hat man einen grandiosen Blick über einen großen Teil der archäologischen Anlage. Dieser Anblick ist nur noch mit einem Blick auf das Taj Mahal in der indischen Stadt Akra oder auf die Tempelanlage in Abu-Simbel zu vergleichen.
Natürlich mussten wir auch die 66 Meter hohe Sonnenpyramide erklimmen. Der Ausblick von ihr ist aber um einiges weniger spektakulär als von der Mondpyramide. Mit der Besichtigung von Teotihuacan haben wir unsere Exkursion durch die Welt der Inka, Maya und Azteken abgeschlossen. Es war großartig und uns allen wurde sehr deutlich, welche hervorragenden Leistungen auch die Menschen außerhalb der alten Welt erbracht haben. Vor unserer Reise war uns allen nicht bewusst, dass diese Kultur durchaus mit der abendländischen Kultur vergleichbar ist. Würde in den Schulen mehr Wissen darüber vermittelt, könnte sich das Bild von den primitiven und wilden Indianern in diesem Teil der Erde nicht so hartnäckig halten.
Wieder auf dem Campingplatz angekommen, machte ich mich sofort daran, den neuen Lüfter einzubauen. Und tatsächlich, es waren nur wenige Handgriffe notwendig und alles war an seinem Platz.
Am Donnerstag nahm ich meinen freien Tag, während Inge sich wieder in das Gewimmel der Großstadt vorwagte. Mit einem Teil der Gruppe ging es mit dem Bus zunächst in die City um verschiedene bei dem ersten Besuch zu kurz gekommene Sehenswürdigkeiten, wie die Hauptpost oder die Ruine der Aztekenstadt Tenochtitlán zu besichtigen und um anschließend das Museum der Malerin Frida Kahlo zu besuchen. Frida Kahlo war die zweimalige Frau von Diego Rivera. Die Mexikaner sind besonders Stolz auf dieses Künstlerehepaar. Anschließend besuchten sie noch die schwimmenden Gärten im Süden der Stadt. Einem Ausflugsgebiet, in dem man mit bunt bemalten Kähnen durch die Kanäle fährt und von anderen Booten mit Essen und Trinken oder mit Mariachi Musik versorgt wird.
Mit Mexiko City haben wir auch das letzte große Highlight auf unserer gemeinsamen Panamericana-Tour abgearbeitet. Zwar ist es noch gut eine Wochen bis Tombstone in Arizona, aber man merkt deutlich die Aufbruchstimmung, die die Gruppe erfasst hat. Drehten sich in den vergangenen Wochen und Monaten die Gedanken und Gespräche meistens um die nächsten gemeinsamen Etappen, stehen nun bei jedem die eigenen Ziel, die nach dem Grenzübertritt in die USA angesteuert werden sollen, im Vordergrund. In Mexiko City haben uns auch schon Silvia und Peter verlassen müssen, die auf dem schnellsten Weg an die Ostküste der USA eilen, weil durch die Verzögerungen in Buenos Aires für sie die Zeit knapp wurde und berufliche Pflichten ihren Tribut verlangen.
Uns führte die nächste Etappe in das 260 km nordwestlich der Hauptstadt gelegene San Miguel de Allende, einer bezaubernden Kleinstadt, die ihren kolonialen Stil bis in die heutige Zeit gerettet hat.
Am Samstagmorgen starteten wir unsere Fotosafari durch die Stadt, stillten unseren Durst in einem der schönen Innenhöfe, die man hier dutzendfach findet und wanderten am frühen Nachmittag wieder zurück zu unserem Wohnmobil. Am späten Nachmittag machten wir uns noch einmal auf in die Stadt, um den Flair dieser fast toskanisch wirkenden Kulisse in abendlicher Beleuchtung zu genießen.
Am Sonntag führte uns unser Weg konsequent nach Westen Richtung Pazifikküste. Nach 380 km Autobahnfahrt erreichten wir die 5 Millionenmetropole Guadalajara. Die Fernstraßen in Mexiko sind gut ausgebaut und man kommt bei relativ schwachem Verkehr zügig voran. Einziger Nachteil sind die doch recht hohen Mautgebühren, die für diese hindernisfreien Straßen verlangt werden. Aber nach so vielen Vibratores und Topes waren wir gerne bereit diesen Preis zu zahlen, um nicht nach jeder Kurve von einem solchen Monstern überrascht zu werden.
Mit dieser letzten Station im Hochland von Mexiko gehen auch die Tage mit angenehmen Tagestemperaturen und kühlen Nächten wieder zu Ende.