Lateinamerika pur

28.03.2010 Esteli
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Am Montag war allgemeiner Reparaturtag. Wolfgangs Treppe hatte schon seit mehreren Wochen ihren Dienst eingestellt, Liesel-Peters Grauwasserablauf war undicht und auch ich wollte einige kleinere Reparaturen am Wohnmobil durchführen. Das schöne an solchen Tagen ist, dass jeder jedem hilft und meistens die Problemchen auch gelöst werden können. An diesem Tag sind jedoch alle meine Reparaturversuche total misslungen. Nach einiger Zeit legte sich meine Arbeitswut total und ich trank mit den anderen lieber eine Dose Bier.
Der Dienstag führte uns dann in einer beschaulichen Fahrt am Vulkan Arenal vorbei an den gleichnamigen Stausee. Die Straße dorthin war zwar sehr eng, steil und kurvig, aber wir hatten ja genügend Zeit für die knapp 165 km. Der Arenalsee hat eine beachtliche Größe von ca. 80 qkm und seine Wasserkraft deckt immerhin über 40% des Elektrizitätsbedarfs von Costa Rica. Unser Stellplatz für die nächsten drei Tage liegt nur wenige Meter vom Seeufer entfernt beim Hotel Los Héroes. Das Hotel wurde 1991 von Franz Ulrich, einem Schweizer Bauern eröffnet, der mit seiner Familie hier einen landwirtschaftlichen Betrieb führt. Die Berge hier am See sind sanft, die Wiesen sind fett, die Temperaturen angenehm und die Gebäude alle im alpenländlichen Stil erbaut. Wenn man den Dialekt des Bauern hört, fühlt man sich wirklich wie in der Schweiz. Sogar eine Kapelle und eine kleine Bahn, inklusive einem Bahnhof, gehören zu seinem Dorf. Die Bahn fährt auf abenteuerlichen Gleisen ca. 3 km auf eine Anhöhe, auf der Franz ein Drehrestaurant, angeblich das einzige in Mittelamerika betreibt. Von hier aus hat man bei gutem Wetter einen herrlichen Blick über den See und auf der anderen Seite zum Vulkan Arenal. Der Vulkan ist permanent aktiv und lässt über seine Ränder einen ständigen Lavastrom zu Tale fließen, der besonders in der Dunkelheit gut beobachtet werden kann. Als wir das Drehrestaurant besuchten, hüllte der Vulkan seine Kegelspitze jedoch in eine dichte Dunsthaube, so dass wir das Naturschauspiel nicht bewundern konnten.



Am Mittwoch erreichten wir nach einer zweieinhalbstündigen Fahrt mit dem Bus das Naturschutzgebiet Cano Negro. Es ist eines der bedeutendsten Feuchtgebiete Mittelamerikas, in dem besonders im März und April viele Zugvögel eine Zwischenstation einlegen. An einer kleinen Anlegestelle am Fluss wartete bereits ein Boot mit einem fachkundigen Guide auf uns. Wir genossen die 90 Minuten dauernde Fahrt und konnten uns unbekannte Vogelarten, aber auch Kaimane und Leguane aus nächster Nähe in freier Natur bewundern. Um ca. 14 Uhr ging es dann auf der gleichen Route wieder zurück an den Arenalsee zu unseren Casa Rodantes. Die Abende hier in der Seenähe waren von der Temperatur her sehr angenehm und wir saßen noch lange vor unseren Wohnmobilen, tranken einen Schluck, plauderten und beobachteten Unmengen an Glühwürmchen, die ich in diesen Mengen noch nie und in den letzten Jahren überhaupt nicht mehr gesehen habe.
Der Donnerstag war mal wieder ein dringend benötigter freier Tag ohne festes Programm. Ich nutzte unter anderem die Zeit, um meine Berichte zu erstellen, mit unseren Kindern zu skypen und es mir ansonsten gut ergehen zu lassen. Abends machten wir noch mit Freunden einen Spaziergang über die Gleise der Bahn zum Mirador.



Vor unserer Abfahrt am Freitag zu unserem letzten Ziel in Costa Rica fuhren wir alle mit dem Bähnle zum Drehrestaurant und frühstückten auf costaricanisch-schweizerische Art.



Die anschließende Fahrt zum nur ca. 70 km entfernten Canias unterbrachten wir kurz in Nuevo Arenal um in einer deutschen Bäckerei Brot, Teilchen, Marmelade und Leberkäse einzukaufen. Man kann bei fast allen Tourteilnehmern feststellen, dass mit jeder Woche, die wir von zu Hause weg sind, zumindest der Appetit auf heimische Kost steigt und jede Chance genutzt wird. Der Campingplatz auf dem wir die Nacht verbrachten, war wirklich nicht der Rede wert. Es war furchtbar heiß und für den Abend war auch noch eine Tanzveranstaltung mit Lifemusik angesagt. An schlafen war da beim besten Willen nicht zu denken. Aber was kann uns noch etwas anhaben. Wir nutzten kurzerhand die Chance und schwangen unser Tanzbein. Irgendwann in der Nacht wurden die Temperaturen angenehmer und die Musik verstummte. Zu dem Zeitpunkt hatte uns der Schlaf schon lange übermannt.
Am folgenden Samstag waren alle früh auf den Beinen; denn der Grenzübergang nach Nicaragua stand an und es mussten zunächst noch 125 km zurückgelegt werden. Lateinamerikanische Grenzen sind uns ja inzwischen wirklich keine Unbekannte mehr, aber was uns heute erwartete war der absolute Hit. Bereits die Ausreise aus Costa Rica entwickelte sich zu einer ersten Hürde. Bereits 7 bis 8 km vor der Grenze stauten sich die LKW´s. Hier durften wir Gott sei Dank noch vorbeifahren. An der Grenze angekommen standen schon mehrere Hundert Menschen in einer Schlange, die mit Bussen in ihre Heimat zurück wollten; denn es war der Samstag vor Karfreitag und das heißt; dass in Lateinamerika die Semana Santa begonnen hatte und damit die Osterfeiertage. Viele Nicos, wie sich die Nicaraguaner selbst nennen, arbeiten als Gastarbeiter im wohlhabenden Costa Rica, wollen aber natürlich die Feiertage bei ihren Familien verbringen. Nach Auskunft erfahrener Grenzgänger bedeutete dies für uns eine Wartezeit von 4 bis 5 Stunden. Mit der gleichen Zeit, wenn nicht sogar noch länger, mussten wir für die Personen- und Fahrzeugeinreise in Nicaragua rechnen. Dies hätte bedeutet, dass wir den gesamten Grenzübergang am Samstag unmöglich hätten erledigen können. Dabei waren wir noch gut dran. Wir hatten unser Wohnmobil dabei, konnten uns kühle Getränke holen oder auch die Toilette nutzen. Die Leute, die mit Bussen unterwegs waren, standen mit ihrem Gepäck stundenlang in der heißen Sonne und mussten ausharren. Für uns tat sich aber nach etwa zwei Stunden Wartezeit eine Möglichkeit auf. Für Dollars bekommt man in dieser Gegend alles, auch Zeit. Damit war die erste Hürde geschafft. Nun ging es um die Einreise nach Nicaragua. Keiner wusste so richtig Bescheid, aber an der nicaraguanischen Grenze liefen in Massen sogenannte Guides herum, die ebenfalls wieder gegen harte Währung in der Lage waren, Hintertüren zu öffnen, um so den Grenzübertritt zu beschleunigen. Nach knapp 7 Stunden und fast einhundert Dollar hatten wir es geschafft, wir waren in Nicaragua. Wir hatten jetzt noch gut 100 km bis Granada, unserem Tagesziel. Pausen oder Umwege waren nicht mehr möglich; denn wir wollten unbedingt vor Einbruch der Dunkelheit unser Tagesziel erreicht haben. Unsere Sorgen gelten dabei weniger eventuellen Überfällen, sondern Schlaglöchern in den Strassen und unbeleuchteten Ochsenkarren, die unvermittelt die Strasse queren können.
Granada liegt relativ weit nördlich am Ufer des Nicaraguasees und ist wirklich die kleinere Schwester ihrer Namensgeberin in Andalusien. Hübsche Häuser mit beschaulichen Innenhöfen und viele Kirchen prägen dass Stadtbild. Kenner behaupten, es sei die schönste Stadt Nicaraguas. Wir haben uns die Stadt am Sonntagmorgen in einer eineinhalbstündigen Kutschenfahrt angeschaut, bevor wir unsere Reise nach Norden fortsetzten. Um unser Tagesziel Esteli zu erreichen mussten wir 210 km zurücklegen. Die Strassen waren gut und so konnten wir es uns leisten, noch einen Abstecher zu den Vulkanen Masaya und Nindiri machen.



Am Zielort standen wir sicher beim Club Campestre, einer ruhigen Freizeitanlage mit Pool und Restaurant. Unsere Österreicher nutzten den Tag, um einen Abstecher nach Managua, der Hauptstadt Nicaraguas zu machen. Ihre Erzählungen waren ernüchternd. Sie fanden zwar in der Innenstadt auch hier und da hübsch herausgeputzte Häuser, aber nur wenige Blocks weiter beherrschten tiefste Armut und Schmutz das Stadtbild. Es scheint wirklich so, dass wir nichts versäumt, weil wir diese Hauptstadt nicht gesehen haben.
Eine interessante Beobachtung konnten wir in der vergangenen Woche machen: Wohlstand und Sauberkeit scheinen zu korrelieren. Das Prokopfeinkommen ist in Costa Rica wesentlich höher als in Nicaragua. Das rührt unter anderem daher, dass das Land seit 1949 keine Armee mehr hat und viel mehr Gelder in die Bildung fliesen konnten. Nicaragua war lange Zeit eine Militärdiktatur und ein Bürgerkrieg lies das Land ausbluten. Hier fliegt der Müll in den Strassengraben, was in Costa Rica undenkbar schien. Hinzu kommt natürlich noch, dass Costa Rica auch wesentlich fruchtbarer scheint.

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