In die letzte Reisewoche auf südamerikanischem Boden starteten wir am Montag von Alcalá nach La Pintada. Die Route führt uns durch Orte mit so vertrauten Namen wie Cartago und vorbei an Galicia und Andalusia, so dass man glaubt, sich verfahren zu haben und sich auf einem Rundkurs ums Mittelmeer befindet. Die Strecke, die nicht besonders weit war, hatte es aber wieder in sich und wir benötigten für die gut 200 km immerhin, inklusive einer Pause, fast 6,5 Stunden.
Trotzdem fanden wir zwischendurch die Zeit, unser Wohnmobil vom Schmutz der vergangenen Monate reinigen zu lassen. An einer Tankstelle fanden wir die dafür notwendigen fleißigen Hände, die dem Auto in weniger als einer halben Stunde eine Rundumpflege zukommen ließen. Unser Übernachtungsziel lag nur noch auf einer Höhe von ca. 600 m uns traf voll die Wärme und Schwüle des subtropischen Klimas. Erstmals musste sich die Klimaanlage in unserem Wohnmobil bewähren. Unser Standplatz an einer Freizeitanlage lag unmittelbar an der Panamericana. Zur Verkehrsberuhigung sind dort Betonboller auf der Straße angebracht, was aber dazu führte, dass die schweren LKW´s fast vollständig abbremsten, um dann mit laut aufheulenden Motoren langsam über diese Hindernisse hinwegzukommen. Das beschied uns dann eine besondere akustische Untermalung der Nacht.
Am Dienstag ging es dann nach Buenavista auf eine Kaimanfarm. Die Straße führte uns mitten durch Medellin, berühmt, berüchtigt durch seine Drogenkartelle in den Neunzigerjahren.
Uns begegnete sie jedoch wie jede andere südamerikanische Millionenstadt hauptsächlich mit viel Lärm und noch mehr Verkehr. Wir machten nicht einmal Halt; denn die für diesen Tag vorgesehenen 400 km mussten wieder auf einer anstrengenden fast zehn Stunden dauernden Fahrt, ähnlich denen in den vergangenen Tagen, überwunden werden. Unterwegs erreichten wir noch einmal eine Höhe von 2800 m bevor wir uns endgültig von den Anden verabschiedeten. Auf den Kilometern oberhalb von 1500 m sahen wir auch zum ersten Mal auf unserer Reise durch Südamerika richtige Elendshütten. Die Behausungen unmittelbar an der Straße bestanden häufig nur aus vier Holzpfählen über die eine schwarze Plastikplane gespannt war. Man muss bedenken, dass die Temperaturen hier oben trotz Äquatornähe doch recht empfindlich sinken können. Hier war das Militär auch besonders präsent. Es ist wirklich ganz anders, wenn man so etwas aus etwa 5 Meter Entfernung oder am Fernseher betrachtet. Die Unmittelbarkeit macht betroffen und es wird nachvollziehbar, wenn jungen Menschen ihre Hoffnungslosigkeit deutlich wird und in ihnen eine wilde Wut wächst. Zeitweise wurde die Stimmung noch zusätzlich dadurch eingetrübt, dass dichter Nebel, der uns kaum 10 Meter weit sehen lies, alles grau erscheinen lies und das Elend noch unterstrich.
Kaum hatten wir die Höhe verlassen, war nicht nur der Nebel verschwunden, sondern es wurde alles wieder bunter und nun auch deutlich karibischer. Die Ortschaften waren meist wieder sehr sauber, die Häuser und Unterstände waren mit Palmblättern bedeckt und das Leben schien wieder erträglicher.
Hundemüde erreichten wir gegen 17.30 Uhr unser Tagesziel.
Zum Abendessen probierten wir natürlich Kaiman. Um ganz ehrlich zu sein, man kann auch darauf verzichten. Das Fleisch dieser Tiere ist in seiner Konsistenz irgendwo zwischen Hähnchen und Tintenfisch anzusiedeln und einen wirklich interessanten Eigengeschmack besitzt es ebenfalls nicht. Nun gut, wir haben es probiert und können nun mitreden. Auch den Mittwoch verbrachten wir auf dieser Farm, jedoch ohne größere Aktivitäten. Inge hat auf einem Spaziergang noch den Zoo und die Caimanzucht besichtigt, war von der Unterbringung der Tiere jedoch nicht begeistert. Ich verkroch mich bei der schwülen Hitze in mein schön gekühltes Wohnmobil.
Für Freitag stand unsere letzte Etappe auf dem südamerikanischen Kontinent auf dem Programm. Es ging an die karibische Atlantikküste nach Cartagena. Von hier aus werden wir in der nächsten Woche unser Wohnmobil nach Colon in Panama verschiffen, während wir nach Panama City fliegen und dort auf die Ankunft des Schiffes warten. Hoffentlich gibt es nicht wieder solche Überraschungen wie damals in Buenos Aires, als wir über drei Wochen auf das Schiff warten mussten.
In Cartagena haben wir im Hotel Caribe unser Domizil bezogen. Das Hotel ist in Ordnung. Die Zimmer sind groß und geräumig, die Betten sauber, das Frühstück essbar und das Personal freundlich. Cartagena selbst ist eine wunderschöne Stadt, die auch einen eigens für sie angesetzten Kurzurlaub rechtfertigen würde. Die Altstadt wird von einer elf Kilometer langen Stadtmauer umgeben, die größtenteils erhalten ist und von deren Zinnen man schöne Einblicke in die Stadt, aber auch Ausblicke auf das karibische Meer genießen kann. Die meisten der Häuser innerhalb der Stadtmauer sind historisch und sehr gut erhalten, bzw. renoviert. Die Plazas fordern unter hohen Palmen zum Verweilen auf und beim Bummeln durch die bunten Gassen entdeckt man bezaubernde, andalusisch anmutende Innenhöfe mit Brunnen und Wasserspielen. Die gehobene Gastronomie hat von vielen dieser meist denkmalgeschützten Häuser Besitz ergriffen und trägt so auch zu deren Erhalt bei.
Ertönt aus einem der Häuser oder Restaurants Musik, kann man beobachten, wie es bei vielen Frauen in den Hüften zuckt und man erkennt endgültig, dass man in der Karibik ist. Richtig schön wird die Stadt allerdings erst am Abend, wenn die Schwüle des Tages etwas nachlässt und die Besucher von den Kreuzfahrtschiffen wieder in See gestochen sind. Dann gehört Cartagena wieder den Einheimischen und den überwiegend kolumbianischen Touristen. Samba und Rumba Rhythmen erfüllen die Nacht. Wir genießen einfach diese Tage.
Zwischendurch müssen wir aber auch einiges für die Verschiffung unseres Wohnmobils unternehmen. Nicht nur die Formalitäten, die von Janette und Uwe toll vorbereitet wurden, sondern auch unsere Autos müssen wieder transportsicher gemacht werden. Das heißt, es müssen Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden Aber auch aus eigenem Interesse sollte man alle wertvollen und persönlichen Dinge sicher in der Garage oder einem entsprechen Platz im Fahrzeug verstaut haben. Wir haben uns außerdem noch dazu entschlossen, unsere vordere Bereifung zu erneuern, da sie durch die Fahrten auf den Schotterpisten und den vielen Bergstrecken doch schon recht abgenutzt waren. So starten wir dann hoffentlich in wenigen Tagen den zweiten Teil unserer Panamericana-Tour, die uns von Panama bis in die USA führen wird.
Ein kleines Resümee der bisherigen Reise darf an dieser Stelle aber nicht fehlen. Am Sonntag waren wir nun schon 129 Tage von zu Hause fort. Seit dem Start in Buenos Aires sind auch schon 104 Tage vergangen und bisher haben wir nach meiner Messung schlappe 18526 km zurückgelegt. Unser Reise führte uns dabei in acht südamerikanische Länder mit sicher vielen Gemeinsamkeiten, aber auch gravierenden Unterschieden. Wir durften Superlative der unterschiedlichsten Art bestaunen und erleben. Ob Gletscher, Seen oder Berge, alles war gewaltig und verlangte uns von Mal zu Mal immer wieder neues Erstaunen ab. Was ich vorher nicht für möglich gehalten hätte, Pässe von über 4900 m Höhe zu befahren, haben wir mit unserem Wohnmobil mühelos geschafft. Die Carratera Austral, eine der anspruchsvollsten Straßen der Welt, lässt uns nicht mehr erschrecken. Die Atacama Wüste, tagsüber trocken und wahnsinnig heiß, nachts eiskalt, wird genau so in guter Erinnerung bleiben, wie der tropische Urwald im peruanischen Amazonasquellgebiet. An all diesen Plätzen stießen wir auf Menschen, die uns freundlich entgegentraten und sich ganz offensichtlich mit uns über unser Abenteuer freuten. Auch das wir Kolumbien durchquerten, was vor wenigen Jahren noch unvorstellbar gewesen wäre, ist ein Erlebnis, das niemand aus unserer Gruppe missen möchte.
Überhaupt, unserer Gruppe - Niemals hätte ich erwartet, dass man mit solch unterschiedlichen Menschen und Temperamenten eine so lange Zeit ohne Probleme so eng zusammen verbringen könnte. Aber entweder war ich nur zu skeptisch, oder unsere Gruppe ist einfach Klasse. Natürlich ärgert man sich mal hier und mal dort über jemanden. Aber die Wut war meist sehr schnell verflogen und beim nächsten Mal saß man wieder bei einem Glas Bier oder einer Flasche Wein zusammen und fand schnell einen gemeinsamen Anlass zum Feiern.