Lotta und die ecuadorianische Woche

28.02.2010 Alcala
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Der Montag dieser Woche war eigentlich der Besichtigung der ecuadorianischen Hauptstadt vorbehalten. Aber wie so oft auf dieser Reise trat auch diesmal das vorgesehene Programm in den Schatten des aktuellen Geschehens. Dieses Mal war das Geschehen für Inge und mich aber nicht nur spannend, sondern auch besonders schön. Am Morgen versuchten wir unsere Tochter telefonisch zu erreichen. Alle Versuche waren vergebens. Erst als wir auf unserer Geschäftsnummer anriefen und sich meine Schwester meldete, war uns klar, dass es so weit war. Alexandra war im Kreissaal. Von dieser Minute an trat natürlich alles andere in den Hintergrund. Wir waren aufgeregt, wie zwei werdende Großeltern nur sein konnten. Aber das Tagesprogramm stand nun halt einmal an und helfen konnten wir ja sowieso nicht. Wir hatten gerade unser erstes Besichtigungsziel, die Iglesia La Basilica, abgearbeitet, als mein Handy klingelte.



Lotta Johanna war da und das Wichtigste: Alexandra und unser neues Enkelkind waren wohlauf. Irgendwie benommen und glücklich ließen wir den Rest der Stadtbesichtigung an uns vorbei ziehen. Quito passte an diesem Tag so richtig zu unserer Stimmung. Das nächste Ziel war die Plaza de la Independencia, vielleicht der schönste Platz in Quito.



Ihn begrenzen gleich eine Vielzahl der wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Im Osten das Municipio (Rathaus), im Norden der Palacio Arzobispal (Bischoffssitz), im Westen der Palacio de Gobierno (Regierungspalast) und im Süden die Kathedrale. Hohe Palmen und anderen Bäume überragen den Platz unter denen Parkbänke zum Verweilen einladen. Schaut man von der Plaza nach Süden, erblickt man hoch über der Stadt die übermächtige Figur der Schutzheiligen der Stadt, La Virgen del Panecillo en Quito. Wir waren zum richtigen Zeitpunkt auf dem Platz und konnten die Wachablösung am Regierungspalast miterleben, die viel lockerer und fröhlicher wirkte als beispielsweise in Santiago. Nach der Besichtigung des Regierungspalastes ging es zum Mittagessen ca. 60 km nordwärts in die Nähe des Äquatordenkmals. Dort gab es als Vorspeise Cuy (Meerschweinchen), dessen Genuss uns allerdings nicht überwältigte. Aber man muss es halt wenigstens einmal probiert haben, wenn man sich in dieser Ecke der Erde aufhält. Beim Besuch des Äquators wurden dann die üblichen Bilder geschossen. Ein Bein auf der Süd- und ein Bein auf der Nordhalbkugel der Erde. Nur leider verriet uns unser GPS, das hier gar kein Äquator war. Die französisch-spanische geodätische Expedition unter Charles de la Condamine, Luis Gödin und Pedro Bouguer in den Jahren 1736 - 1744 hatten hier die Position des Äquators festgelegt. Ich habe mich dann aber entschlossen, den mühevollen Weg von immerhin noch rund 180 m auf mich zu nehmen, um mit meinem GPS-Gerät den tatsächlichen Mitad del Mundo zu finden. Was mir auch, wie ihr sehen könnt, gelang.



Am Abend haben wir dann noch mit der gesamten Gruppe im Hotel auf unsere Enkeltochter angestoßen und den Besuch in Quito ausklingen lassen.
Für den zweiten Tag der Woche war nur eine kurze Fahrstrecke von ca. 130 km vorgesehen. Die Fahrt aus Quito verlief problemlos. Circa 25 km nördlich von Quito überquerten wir den Äquator nun endgültig. Kein Schild oder sonstiger Hinweis machte uns darauf aufmerksam. Nur das GPS-Gerät zeigte uns an, dass wir ab sofort und endgültig auf dem Heimweg waren. Ich konnte noch nicht einmal anhalten um ein Foto zu schießen, da die Straße an dieser Stelle kurvig und bergan verlief. Unterwegs legten wir noch in dem kleinen Marktflecken Otavalo einen Zwischenstopp ein und besuchten den angeblich größten ecuadorianischen Kunsthandwerkermarkt.



Viel schöner als der Markt war allerdings der Bummel durch das Städtchen mit seinen Plazas und kolonialen Gebäuden. Nachdem Inge auf dem Rückweg zum Wohnmobil doch noch einige Soles in eine neue Umhängetasche investiert hatte, strebten wir auf direktem Wege unserem Tagesziel Cuicocha entgegen.
Das Tagesziel für den Mittwoch war Pasto und lag bereits in Kolumbien, dem letzten Land auf dem südamerikanischen Kontinent, das auf unserer Besuchsliste stand. Kurz vor der Grenze haben noch einmal alle ihre Tanks vollgetankt. Denn so günstig wie in Ecuador werden wir wohl nirgendwo mehr tanken können (Liter Diesel weniger als 20 Cent). Auch dieses Mal verliefen die Aus- und Einreiseformalitäten problemlos. Kurz nach dem Grenzübertritt statteten wir der Wallfahrtkirche Santuario Nuestra Senora de Las Lajas, einem Marienwallfahrtsort, einen Besuch ab. Die Fahrt ging über Serpentinen steil bergab. In dem kleinen Dorf tief unten im Tal stellten wir das Wohnmobil ab und ich überlies es Inge, Liesel und Peter zu Fuß die Wallfahrt fortzusetzen.



Nun lagen noch etwa 120 km vor uns, die zwar auf guter, aber kurvenreicher Straße bewältigt werden mussten und auf der starker Schwerlastverkehr herrschte. Beim Überholen muss man starke Nerven haben. Durchgezogene Mittellinien gelten nicht. Kurven werden geradegebogen. Aber man gewöhnt sich daran. Es ist sowieso verwunderlich, wie wenig bei der hier vorherrschenden Fahrweise passiert. Auffallend ist in Kolumbien außerdem die starke Präsenz von Polizei und Militär auf den Straßen. Alle paar Kilometer stehen schwer bewaffnete Soldaten und überwachen alle wichtigen Punkte (Brücken, Ortsein- und ausfahrten, etc.). Wir wurden so gut wie nie kontrolliert und wenn doch, dann meistens weil die Soldaten einen Blick in unsere Wohnmobile werfen wollten, was wir ihnen natürlich gerne gestatteten. Wenn man bedenkt, dass vor wenigen Jahren eine so freie Fahrt, wie wir sie in den nächsten Tagen vorhatten, in Kolumbien unmöglich gewesen wäre, ist die Neugier der jungen Männer, durch deren Anwesenheit wir uns erheblich sicherer fühlten, das kleinere Übel.
Unser Tagesziel war der Parque Ambiental Chimajoy, in der Nähe von Pasto. Dort auf etwa 3100 m Höhe angekommen, war es regnerisch und kalt. Ich hätte nie erwartet, dass in der Nähe des Äquators solche Temperaturen zu finden seien. Nachdem in der Hütte, in der wir unser abendliches Briefing veranstalteten, der Kamin angezündet war, änderte sich auch unser Wohlbefinden.
Die nächste Etappe führte uns auch diesmal wieder über eine sehr kurvige und bergige Strecke und an vielen LKW´s vorbei zu einem großen Rasthaus direkt an der Panamericana nördlich von Popayan. Dort angekommen, erwartete uns wieder eine Überraschung. Unsere Getriebehavaristen Christel und Peter hatten uns nicht nur ein-, sondern sogar überholt und warteten schon ungeduldig auf die Gruppe, was wieder ein Grund zum Feiern war.
Auf der ca. 350 km langen Etappe am Freitag nach Alcalá kam ein weiterer Schwierigkeitsgrad hinzu. Wir kamen in die Zuckerrohrgegend. Riesige Monokulturen mit ausschließlich Zuckerrohr säumten unseren Weg. Das bedeutete nicht, dass wir nun statt Wasser Rum hätten trinken müssen, aber auf den Straßen tauchten die Trenes Caneros auf, riesige, mit vier großen Anhängern bespannte LKW´s, die das Zuckerrohr von den Plantagen zu den Verarbeitungsstätten transportieren und so gut wie nicht überholt werden können.



Zum Glück war nicht Haupterntezeit und wir konnten die wenigen Gespanne relativ problemlos an Ausweichstellen überholen. In Alcalá standen wir dann für zwei Tage auf einer Kaffeefinca, einer Kaffeeplantage mit angeschlossenem Hotelbetrieb (El Bosque del Samán Alcalá).
Am Samstag hatten wir eine recht informative Exkursion, die uns mit allen Schritten der Kaffeeproduktion, vom Sämling bis zur fertigen Tasse Kaffee vertraut machte. Die Kaffeepflanzen wachsen hier ähnlich wie bei uns am Rhein der Wein in Steillagen, was die Bewirtschaftung sehr mühsam gestaltet.



Die Erntehelfer bekommen für die Ernte eines Kilogramms Kaffeekirschen etwa 7 Cent. Ein guter Pflücker verdient auf diese Weise etwa 7 € am Tage. Wenn man bedenkt, dass für ein Kilogramm fertigen Kaffee, das vier bis fünffache an Kaffeekirschen geerntet werden muss, bedeutet das, dass für den Erntehelfer hier vor Ort nur etwa 2 Cent von den 12 bis 14 € übrigbleiben, die ein Kilogramm Kaffee bei uns kosten. Kein weiterer Kommentar.
Der Ausflug am Sonntag zu den Wachspalmen war ein echter Flop. Es fing damit an, dass der Bus mit einer halben Stunde Verspätung eintraf. Der Bus war auch für einen solchen Ausflug nicht geeignet. Er besaß keine Lautsprecheranlage, so dass die Reiseleiterin während der Fahrt auch keine Erklärungen geben konnte. Auch die Kompetenz der Reiseleiterin schien nicht besonders hoch, musste sie, bzw. der Busfahrer doch mehrfach unterwegs nach dem Weg zu unserem Ausflugsziel fragen. Die am Zielort geplante Wanderung lief ähnlich chaotisch. Auch der anschließende Besuch in den verträumten kolumbianischen Andendorf, wo sich die Leute mit Tränen in den Augen freuen, dass wir sie besuchen, war alles andere als erwartet. Der Ort war zwar recht hübsch, aber es war eben doch nur der weltweit vertraute Touristenrummel. Also unter dem Stichwort -erledigt- abhaken.



Ich sollte allerdings den Wachspalmen nicht Unrecht antun. Sie sind eine sehr schöne, schlanke Palmenart, die durch den Raubbau der vergangenen Jahrhunderte vom Aussterben bedroht ist und nur noch an wenigen Plätzen zu finden ist. Ihr Stamm wurde früher genutzt, um Kerzenwachs daraus zu gewinnen um die Städte der neuen Welt zu erhellen. Sie kann immerhin die stattliche Höhe von 70 m erreichen, benötigt dazu aber auch deutlich über einhundert Jahre. Heute ist sie streng geschützt und man kann nur hoffen, dass dies auch etwas nützt.

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