Auf der Ruta 40 geht's nach Norden
20.12.2009 Mallin Grande

Hier im Süden von Argentinien ist die Ruta 40 mit ihren Abzweigungen die Touristenstraße schlechthin. Die Ruta 40 führt von Süden nach Norden am Ostrand der argentinischen Anden entlang. Alle wichtigen Naturwunder und Sehenswürdigkeiten sind von ihr aus mit mehr oder weniger Aufwand gut erreichbar. Sie ist streckenweise gut ausgebaut, aber sie führt uns auch über weite Strecken auf zum Teil sehr holprigen Schotterstraßen zu unseren Zielen.
Bereits am vergangenen Samstag stießen wir von Rio Gallegos kommend bei El Centro erstmals auf diese Straße, die uns bis an den Lago Argentino führte. Dort verließen wir sie um El Calafate und den Lago zu erkunden.
Am Montag erreichten wir sie dann wieder genau an der Stelle, an der wir sie am Samstag verlassen hatten und folgten ihrem Weg nach Norden. Der Wind blies sehr kräftig und es war gar nicht so einfach, unser Wohnmobil immer auf Spur zu halten. Unser Ziel für diesen Tag war der Lago Viedma. Nachdem wir den östlichen Zipfel des Sees erreicht hatten, verließen wir wieder die Ruta 40 und folgten am nördlichen Seeufer der Ruta 23 bis nach El Chaltén, nahe der chilenischen Grenze.

Hier bietet der Fitz Roy mit seinen 3405 m eine gigantische Kulisse. El Chaltén ist ein kleiner aufstrebender Touristenort, der von vielen Wanderfreunden besucht wird, die hier ihre ausgedehnten Wanderungen und Trekkingtouren in die Gebirgswelt starten.
Dienstag und Mittwoch wurden auch von unserer Gruppe für schöne Wanderungen genutzt. Die erste Wanderung führte über 10 km über teils anstrengende Steigungen zum Lago Torre und wieder zurück. Der Wind blies wieder kräftig und hier und da fielen auch einige Regentropfen. Der Fitz Roy versteckte sich den ganzen Tag immer wieder hinter Wolken und nur dann und wann konnte man Teilansichten bewundern. Aber auch das restliche Panorama lohnte noch die Anstrengungen. Zur Belohnung versammelte sich die Gruppe anschließend im Ort in einer kleinen Hausbrauerei und labte sich am köstlichen Gerstensaft.

Für die zweite Wanderung wurde die Gruppe mit zwei Kleinbussen am Campingplatz in El Chaltèn abgeholt und zur ca. 15 km entfernten Estanzia El Pilar gebracht. Von dort aus ging es mit tollen Aussichten auf Fitz Roy und seinen Gletscher an der Laguna Capri vorbei wieder zurück. Der Wind blies heute noch bedeutend stärker und wir mussten kräftig gegen ihn ankämpfen. Ein Ehepaar unser Gruppe lies es sich trotzdem nicht nehmen, in der nur ca. 12 ° C warmen Laguna ein Erfrischungsbad zu nehmen.

Im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Tagen war es am Donnerstag fast windstill. Ein strahlend blauer Himmel machte uns den Abschied vom Fitz Roy schwer und wir legten mehrere Fotostopps ein, um den Berg noch einmal in der Morgensonne für unser Gedächtnis festzuhalten.

Wir fuhren an diesem Tag ca. 280 km, wovon 153 km uns über die Schotterpiste führten. Unser Ziel war die Estanzia La Angostura. Die Estanzien an der Ruta 40 wirken wie grüne Oasen in der sonst doch recht tristen Umgebung der Trockenpampa. Hier wachsen plötzlich Bäume und es ist so, als wolle die staubige Pampa selbst etwas Luft holen. Wir standen mitten zwischen Schafen, Pferden, Hunden und Hühnern.
Für den Abend hatten uns die Estanzieros ein schmackhaftes Asado vorbereitet. Dabei erfuhren wir vom Hausherrn auch einiges über das Leben und die Arbeit auf einer Estanzia. Er erzählte uns, dass seine Großeltern um 1880 aus dem heutigen Kroatien kommend die Estanzia vom argentinischen Staat mit der Auflage der Bewirtschaftung erhalten hatten. Sie hat noch ihre ursprüngliche Ausdehnung von ca. 20 000 ha und zählt damit heute zu den kleineren Estanzien. Auf der Estanzia leben drei Menschen, die bei Bedarf von einigen Saisonarbeitern unterstützt werden. Außerdem besiedeln etwa 1200 Schafe, 120 Rinder und knapp 80 Pferde dieses riesige Gelände. Aber der Boden ist hier nicht in der Lage mehr Kreaturen zu ernähren. Haupteinnahmequelle ist daher neben der Landwirtschaft, deren Erträge auch hier sehr stark schwanken, inzwischen der Tourismus. Die Touristen machen an den Estanzien nicht etwa deshalb Stopp, weil es hier so schön ist, sondern weil die Entfernungen auf den Schotterpisten sonst nicht zu bewältigen wären.

Hier kommt aber ein neues Problem auf die Estanzieros zu. Der argentinische Staat ist kräftig dabei, die Infrastruktur und damit auch die Straßen in diesem Landesteil auszubauen. Das hat für die Menschen die hier draußen leben natürlich enorme Vorteile, bedeutet aber auch, dass die Reisenden die Entfernungen in erheblich kürzerer Zeit bewältigen können und damit weniger Übernachtungen notwendig werden, was dazu führen wird, dass das gerade mühsam aufgebaute zweite Standbein der Landwirte schon wieder wegzubrechen droht. Der Estanziero erzählte, dass auch seine erwachsenen Kinder das Leben in der Stadt, dem mühsamen, finanziell unsicheren und einsamen Leben auf dem Lande vorziehen und er nicht damit rechnet, dass auch die vierte Generation den Betrieb fortführen wird.

Der Freitag war ein reiner Reisetag, der uns zur 240 km entfernten Estanzia Casa de Piedra führte. Nur ca. 60 km führten über Asphalt und es war besonders auf den letzten 50 km eine harte Prüfung für Mensch und Maschine. Knapp 50 km vor dem Ziel verhielt sich unser Wohnmobil merkwürdig. Beim Einschlagen des Lenkrades vernahmen wir Geräusche, die wir nicht einordnen konnten. Ich hielt an, schaute unter das Auto und sah die Bescherung:
Die drei Schrauben, mit denen der linke vordere Achsschenkel befestigt ist, wurden in der Fiat-Werkstatt nur mit der Hand eingedreht. Nach inzwischen ungefähr 1200 km hatten wir schon eine Schraube verloren, eine weitere hatte sich gut 10 mm herausgedreht und auch die Dritte war bereits locker. Es war reiner Zufall, dass wir das Problem noch rechtzeitig bemerkten. Einige Kilometer später hätten wir das linke vordere Antriebsrad verloren. Damit wäre nicht nur unser Wohnmobil Schrott gewesen, sondern auch die Gesundheit von Inge und mir wäre aufs Äußerste in Gefahr gewesen.

Unser Vertrauen in lateinamerikanische Werkstätten war damit auf dem Nullpunkt angelangt. Das hatte aber auch etwas Gutes; denn es motivierte uns, die nachfolgenden, kleineren Reparaturen an unserem Wohnmobil alle selbst durchzuführen.
Am Samstag fuhren wir nur ca. 135 km nach Los Antiguos am Lago Buenos Aires. Diesen zweitgrößten See Südamerikas teilen sich in etwa zur Hälfte die Argentinier und Chilenen. Auf der chilenischen Seite heißt er allerdings Lago General Carrera. Wir erreichten den Ort bereits kurz nach 11 Uhr. Einen Großteil der Zeit verbrachten wir dann in einem Restaurant mit Internetanschluss, um unsere Mail zu checken, über Skype mit unseren Lieben im kalten Deutschland zu telefonieren und unsererseits noch schnell die letzten Weihnachtsgrüße auf den Weg zu bringen, denn für die nächsten Tage war dies die letzte Gelegenheit. Das Netz war aber kaum dem Ansturm gewachsen. Es war ein zähes und mühsames Unterfangen. Das Dorf selbst ist recht hübsch und hat besonders mildes Klima, in dem alle möglichen Obst und Gemüsesorten gedeihen. Besonders bekannt ist er für seine Kirschen, für deren Ernte wir allerdings einige Tage zu früh waren. Bereits die Ureinwohner dieser Gegend, die Indianer vom Stamme der Tehuelche, wussten dies zu schätzen und wählten den Platz als Ruhesitz für ihre Alten.
Sonntagmorgen um 8 Uhr ging es dann zunächst über die chilenische Grenze. Die Stempel kamen wieder voll zum Einsatz. Man muss allerdings sagen, dass es relativ zügig voranging. Um 9.15 Uhr hatten wir bereits beide Grenzabfertigungen hinter uns gebracht und um etwa 10 Uhr hatten sich dann alle Tourteilnehmer in Chile Chico, dem Grenzort auf der chilenischen Seite versammelt. An der chilenischen Grenze sind sehr strenge Lebensmittelkontrollen. Nichts frisches, weder Obst noch Fleisch, darf nach Chile eingeführt werden. Bevor wir jedoch unsere Vorräte wieder auffüllen konnten, mussten wir uns mit chilenischer Währung versorgen. Der Ort ist allerdings sehr überschaubar und so waren wir bereits um 10.30 Uhr mit allen wichtigen Tagesgeschäften durch.

Die vor uns liegende Fahrt am Südufer des Lago Carrera entlang bot unglaublich schöne Aussichten auf den tiefblauen See und die umliegenden schneebedeckten Berge, sie stellte allerdings auch bisher die höchsten Anforderungen an Fahrzeug und Fahrer. Der Zustand der Piste war sehr unterschiedlich und sie war stellenweise doch sehr schmal. Die Gefälle und Steigungen betragen bis zu 22%, was besonders für die frontgetriebenen Fahrzeuge hätte kritisch werden können. Wir bildeten daher erstmals nach Buenos Aires einen Konvoi, den Uwe und unser Schweizer Christian mit seinem starken MAN anführten, um im Notfall für uns Schwächlinge Schlepperdienste zu leisten. Die Tipps und Anweisungen von Uwe, wie dieser doch recht schwierige Streckenabschnitt am sichersten zu bewältigen ist, waren jedoch so gut, dass Christian nicht aktiv werden musste. Für die gefahrenen 96 km benötigten wir inklusive Grenzübertritt und Einkauf in Chile Chico ca. 8 Stunden. Die reine Fahrzeit betrug aber immerhin noch ca. 5 Stunden, was uns auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 19 km/h brachte.
Um 16.01 Uhr hatten wir dann unseren Übernachtungsplatz auf einer staubigen Wiese unweit von Mallin Grande erreicht. Es war dieses mal eine etwas andere Art, den 4. Adventssonntag zu erleben.