Nachdem wir den ersten Schock und unsere Enttäuschung überwunden hatten, nahmen wir uns am Montagmorgen ein Mietauto und fuhren in Richtung Süden.
Nach etwa 65 km erreichten wir die chilenische Grenze. Der Formalismus und der Arbeitsstil der Beamten auf beiden Seiten der Grenze erinnerten mich doch sehr stark an den Roman "Das Schloss" von Franz Kafka. Es mussten 3 Zettel ausgefüllt werden, die anschließend mit vielen Stempeln geziert wurden. Auch für das Mietauto gab es auf einem eigenen Dokument mindestens zwei Stempel. Zusätzlich wurde noch auf der argentinischen Seite ein Blatt für das Auto ausgefüllt und gestempelt, das auf der chilenischen Seite wieder einbehalten wurde. Die Stempel in unseren Pässen kamen natürlich noch hinzu. Ich schätze, dass mindestens 20mal der Stempel bemüht wurde und auch noch einige Einträge an Bildschirmarbeitsplätzen vorgenommen wurden.
Nun stand uns ein erstes Highlight bevor, die Querung der Magallanstrasse, die Feuerland vom südamerikanischen Festland trennt. Vom Schiff aus konnten wir Delphine und Wale beobachten. Die Fähre brachte uns in einer gut halbstündigen Fahrt bei relativ ruhiger See auf die Insel. Nach weiteren 180 km, davon über 120 km Piste, kamen wir dann wieder an die argentinische Grenze und das Spiel begann von Neuem.
Wenn man so etwas erlebt, lernt man den Grenzübertritt in Europa und die Europäische Union richtig schätzen. Nach insgesamt 375 km an diesem Tag erreichten wir Rio Grande an der Mündung des gleichnamigen Flusses. Sie ist mit ca. 55000 Einwohnern (2001) die größte Stadt Feuerlands und von ihr gingen alle wichtigen Aktivitäten für die Insel aus. Hier waren die großen Estanzien der Schafzüchter. Don BoscosSalesianer unterhielten hier die erste katholische Mission auf Terra del Fuego, in der heute die führende Landwirtschaftschule Feuerlands untergebracht ist. Wir haben in Rio Grande nur die Nacht verbracht, um am Dienstagmorgen die restlichen 210 km bis Ushuaia zu bewältigen. Nach der anstrengenden Pistenfahrt des Vortages war diese Strecke eine Erholung. Nach ca. 100 km änderte sich langsam das Landschaftsbild.
Das Gelb der Trockenpampa wurde langsam durch ein helles Grün ersetzt und die Sträucher wurden höher. Am Horizont tauchten Berge auf, deren Spitzen noch mit Schnee bedeckt waren. Mit jedem Kilometer, den wir uns unserem Ziel näherten, wurde die Landschaft üppiger, es gab jetzt sogar wieder Bäume und kleine Wasserfälle säumten unseren Weg. Kurz nach 14 Uhr erreichten wir Ushuaia und damit fast den eigentlichen Startpunkt unserer geplanten Panamericanatour. Doch noch war es nicht ganz soweit. Zunächst suchten wir uns ein Hotel, machten uns etwas frisch und dann ging es über weitere 17 km Schotterpiste in den "Parque National Tierra Del Fuego" und dort bis zum Ende der Ruta 3, die als südliches Ende der Panamericana gilt. Es war schon ein emotionaler Augenblick, genau den Punkt erreicht zu haben, ohne den dem Projekt "Panamericana" ein wesentliches Moment gefehlt hätte.
Die Sonne lachte und der Wind machte sich kaum bemerkbar. So genossen wir für eine kurze Weile unser Glück und nahmen uns vor, den Ärger der vergangenen Wochen über das späte Ankommen der Fahrzeuge und unser Qualitätsprodukt "Fiat Ducato" hinter uns zu lassen. Dieser nun wirklich absolut südlichste Punkt unserer Reise ist richtig hübsch. Er erinnert uns ein wenig an die Fjordlandschaften in Norwegen.
Anschließend erkundeten wir mit dem Auto und zu Fuß noch einige andere Ecken des Nationalparks, bevor wir in der Innenstadt von Ushuaia uns mit einem guten Abendessen bei Tante Nina, dort gab es Centolla (Königskrabben) belohnten.
Der Mittwochvormittag war für einen Erkundungsspaziergang durch die Stadt reserviert, die mit ca. 45000 Einwohnern (2001) die zweitgrößte Stadt auf Feuerland ist. Das Wetter war nicht mehr ganz so ideal, aber immerhin noch trocken. Ushuaia ist eine sehr lebendige Stadt und lebt im Wesentlichen von der Versorgung der Antarktisstationen und vom aufkommenden Tourismus. Die kleine Innenstadt ist im Gegensatz zu ihren nördlichen Konkurrenten Hammerfest und Kirkenes richtig hübsch. Am Nachmittag machten wir dann mit einem Katamaran eine zweistündige Fahrt auf dem Beagle-Kanal zu den Robben- und Kormoraninseln. Nun ja, die Fahrt war schön und abwechslungsreich, aber nichts Besonderes. Ich habe einige nette Fotos von Seelöwen und Kormoranen und vom kleinen Leuchtturm draußen im Beagle-Kanal machen können.
Inzwischen war klar, dass die Ersatzteile für unser Wohnmobil Argentinien erreicht hatten und es war normal zu erwarten, dass die Teile am Donnerstagmorgen an die Werkstatt ausgeliefert würden. Wir entschlossen uns daher am Donnerstag direkt in einer Tour wieder nach Rio Gallegos zurückzufahren.
Auf der Fahrt über die Magellanstrßse veranstalteten die Delphine ein Wettrennen mit der Fähre, die immerhin mit knapp 30 km/h dahinfegte.
Es war gut, dass wir wieder in Rio Gallegos waren; denn natürlich waren die Ersatzteile noch nicht ausgeliefert. Die Adresse auf der Warensendung war zwar richtig angegeben, aber an Stelle des Namens der Werkstatt wurde nur der Name der Werkstattmeisters angegeben.
Und so kam es, dass die Teile erst auf Nachfrage am Freitagmittag ausgeliefert wurden. Von nun an ging es jedoch zügig voran. Samstag um 13 Uhr war unser Auto dann auch tatsächlich fertig. Bei den ersten Kilometern hörten wir natürlich auf jedes noch so kleine Geräusch, aber es schien alles in Ordnung. Nach einem Großeinkauf verließen wir dann um ca. 15 Uhr Rio Gallegos, die Stadt in Argentinien, die wir nun nach Buenos Aires am besten kennen.
Ihr glaubt gar nicht, wie schön Autofahren sein kann. Ein letztes Mal durchquerten wir die argentinische Pampa von Ost nach West, bis zum Fuß der Anden. Unser Ziel war Punta Bandera, nahe El Calafate, am Ufer des Lago Argentino. Bereits über 40 km, bevor wir unser Ziel erreicht hatten, konnten wir den türkisfarbenen See mit den schneebedeckten Bergen im Hintergrund in der Sonne leuchten sehen.
Aber noch viel schöner als das Naturerlebnis war kurz nach 19 Uhr das Wiedersehen mit der Herde. Mit lautem Hupen fuhren wir auf den Parkplatz, auf dem sich bis auf wenige Fahrzeuge schon alle für die Nacht versammelt hatten. Aus allen Fahrzeugen kamen unsere Freunde und ich kann nur sagen, die Begrüßung war überwältigend. Wir hatten wirklich das Gefühl, dass die gesamte Truppe mit uns gelitten hatte. Ulli und Günther begrüßten uns mit einem Glas Sekt und nach weiteren drei Flaschen waren die 11 Tage Abwesenheit fast schon vergessen.
Ich hoffe, dass ich während dieser Reise nicht noch einmal über eine vergleichbare Panne, ob für uns oder einen unserer Mitfahrer berichten muss. Wir haben gemeinsam beschlossen, dass es das nächste halbe Jahr keinen Anlass mehr für "bad news" gegen wird. Damit ist dieses Thema abgeschlossen.
Der Tag unserer Rückkehr war goldrichtig, denn für den nächsten Tag stand schon wieder ein Highlight unserer Reise auf dem Programm. Um neun Uhr startete unserer Schiffstour zu den drei Gletschern, die den Lago Argentino speisen und der vom Rio Santa Cruz in den Atlantik entwässert wird. Der See ist immerhin rund doppelt so groß wie der Bodensee und wurde erst 1873 von dem Forschungsreisenden Francisco Moreno entdeckt. Zunächst ging die Fahrt in Richtung Upsala-Gletscher, den wir wegen einer Eisbarriere jedoch nicht aus der Nähe betrachten konnten. Mit 6 bis 7 km Frontbreite und einer 60 km langen Gletscherzunge ist er etwa fünfmal so groß wie der Aletsch, der größte Alpengletscher. Aber schon die vorbeidriftenden, bald silbern, bald kobaltblau schimmernden Térpanos (Eisberge) die als 70 m hohe Eistürme vom Upsala abrechen und nun vom Wind und Wasser zu monumentalen Kunstwerken modelliert werden und auch die Barriere, vor der unser Schiff stoppen musste, waren beeindruckend. Die Fahrt ging weiter zum Spegazzini-Gletscher. Hier konnten wir bis ganz nahe an die Abbruchkante des Eises heranfahren. Bei diesem Gletscher konnten wir besonders gut beobachten, wie sich die riesigen Eismassen ihren Weg zum Seeufer bahnen. Die letzte Station unserer achtstündigen Bootsfahrt führte uns dann zur Abbruchkante des Perito Moreno. Die gigantische, schroffe Eiswand, die unmittelbar vor uns aus dem Wasser ragte, leuchtete je nach Sonneneinstrahlung in den unterschiedlichsten Blautönen. Das Schiff dümpelte fast eine Stunde vor dieser Kulisse und alle Passagiere hofften für ihr Fotoalbum auf einen spektakulären Eisabbruch. Dieser Wunsch wurde uns aber leider vom Gletscher nicht erfüllt.
Nach der Rückkehr zu unseren Wohnmobilen fuhren Inge und ich noch ca. 40 km in den Nationalpark, um den Perito Moreno von der Landseite her zu bewundern; denn nur so kann man das Naturwunder in seiner vollen Ausdehnung erfassen. Leider hatten sich inzwischen doch einige dicke Wolken vor die Sonne geschoben, aber die konnten das Erlebte nicht mehr trüben. Abends traf sich die Gruppe dann auf dem Campingplatz in El Calafate. Nach so einem Tag verfliegt aller Ärger den man vorher hatte fast wie von selbst und wir freuen uns darauf, mit der kompletten Karawane weiterzuziehen.