Die vergangene Woche diente ausschließlich dem Zeitvertreib und dem Kennenlernen von Buenos Aires.
Die Stadt ist riesig, laut und ich finde nicht besonders schön. Es gibt zwar schöne Parkanlagen, die auch alle einen sehr gepflegten Eindruck machen, aber die meisten Straßenzüge der Innenstadt werden von Geschäftsbauten dominiert, die wirklich nicht schön sind und wohl auch nie schön waren. Zwischendurch findet man aber immer wieder vereinzelt schöne Jugendstil- und Gründerzeitfassaden, die jedoch ihre Wirkung nicht wirklich entfalten können.
Der Verkehr, der sich durch die Straßen zwängt, ist kaum zu beschreiben. Es gibt sehr breite Straßen, darunter die breiteste Straße der Welt, die Avenida 9 de Julio mit siebzehn Spuren, aber auch viele sehr enge Straßen, durch die sich der Verkehr einspurig an den stehenden Autos vorbei zwängt. Die meisten Straßen der Innenstadt sind Einbahnstraßen, wodurch die Konflikte an den Kreuzungen doch wesentlich entschärft werden. Der öffentliche Verkehr wird hauptsächlich von Bussen und Taxen bewältigt. Fünf, sechs Busse hintereinander sind keine Seltenheit, aber was noch mehr ins Auge fällt, ist die unglaubliche Anzahl von Taxen. Tagsüber braucht man nie länger als 5 Sekunden in einer Straße zu warten, bis man ein leeres Taxi bekommt. Öffentliche Verkehrsmittel sind sehr preiswert. Eine Fahrt mit dem Bus kostet etwa 1 € und die Strecken sind wesentlich länger als man sie bei uns kennt. Für eine Strecke von 7 km mit dem Taxi haben wir mit Trinkgeld etwa 5,50 € gezahlt. Es gibt auch noch eine U-Bahn, deren Streckennetz aber sehr grobmaschig ist und für uns als Touristen weniger interessant erscheint.
Am Donnerstag sind wir über die "Florida", einer der Haupteinkaufsstraßen (Fußgängerzone) der Stadt von unserem Hotel in der Nähe der Plaza San Martin, zum Plaza de Mayo, dem Sitz der argentinischen Regierung spaziert, Auf dieser ca. 1,3 km langen Einkaufsmeile wird alles angeboten. Es gibt tolle und schöne Malls, aber auch viele kleine und kleinste Geschäfte. Die Menschenmassen schieben sich zwischen den zusätzlich auf der Straße aufgebauten Verkaufsständen hindurch und es wird manchmal sehr eng. Diese Straße ist wohl auch ein Paradies der Taschendiebe. Vor Taschendieben wird man sowieso allenthalben gewarnt. Ob auf Straßen, in Bussen oder U-Bahnen, es scheint eine echte Plage zu sein. Einem aus unserer Gruppe wurde in der U-Bahn bereits sein Handy entwendet. Auf einem Bummel durch die Straßen kann man auch deutlich die sozialen Unterschiede beobachten. Kinder, die Ihre jüngeren Geschwister, die kaum älter als 2 bis 3 Monate sind, auf dem Arm schleppen und deren Mütter sich in einer Hausnische zurückgezogen haben, trifft man immer wieder an.
Auf der Plaza de Mayo angekommen erleben wir auch die wöchentliche Demonstration der Madres de Plaza de Mayo , die seit 1977 jeden Donnerstag um 15.30 Uhr hier auf das Verschwinden Ihrer Männer und Söhne aufmerksam machen, die während der Militärdiktatur spurlos verschwanden und deren Verschwinden bis heute nicht geklärt ist.
Freitagmittag haben Inge und ich eine Stadtrundfahrt mit dem offenen Bus unternommen. Es stehen 3 Routen zur Verfügung, die nacheinander abgefahren werden können. Der Preis ist mit ca. 20 € pro Person für hiesige Begriffe recht hoch. Wir wählten zunächst die blaue Route (Circuito Norte), die uns ausgehend von der Plaza San Martin über Riccoleta, Palermo, Palermo Soho und dann wieder im großen Bogen über die Avenida Santa Fe (auch eine der großen Einkaufsstraßen) zum Ausgangspunkt zurückführte. Wie es sich gehört, hatten Inge und ich den Bus natürlich für uns ganz alleine. Unterwegs legten wir einen Fotostopp an der Basilica del Pilar, dem Nationaldenkmal der Argentinier, ein. Beeindruckend waren auch die riesigen Parkanlagen in Palermo, die einen Vergleich mit dem Centralpark in New York nicht zu scheuen brauchen. Kurz vor dem Ziel wurden wir dann vom Regen überrascht. Wir flüchteten uns ins Fahrerhaus und erreichten so noch halbwegs trocken wieder die Plaza San Martin und unser Hotel.
Für abends hatten wir uns mit Teilen der Gruppe in einem vietnamesischen Restaurant in Palermo verabredet. Außer Janette und Uwe, die wohl "unzerstörbar" sind, hatten alle die Segel gestrichen. Es wurde ein sehr schöner Abend mit leckeren Cocktails, gutem Wein und allerlei vietnamesischen Spezialitäten.
Ursprünglich hatten wir am Freitag geplant, die rote Route direkt im Anschluss zu starten. Wegen des Regens haben wir diesen Abschnitt jedoch auf Samstag verschoben.
Morgens machten wir zunächst einen Spaziergang über die Plaza San Martin zum englischen Uhrenturm. Hier erlebten wir dann unsere erste Raubattacke. Während wir auf einer Bank unmittelbar am Turm saßen und im Reiseführer lasen, wurde ich plötzlich regelrecht hochgerissen. Ein etwa 25-jähriger versuchte mir meine Kamera mir zu entreißen. Ich hatte den Fotoapparat jedoch fest um mein Handgelenk gebunden, so dass der Angriff erfolglos blieb.
Anschließend setzten wir unsere Stadtrundfahrt mit dem offenen Bus fort. Die rote Route (Circuito Sur) startet ebenfalls auf der Plaza San Martin und führt über die Avenida 9. de Julio bis zum Obelisken und dann diagonal über die Avenida Roquesáenz Peria zur Plaza de Mayo und weiter über Monserrat, San Telmo nach La Boca. Zurück ging es dann über Puerto Madero wieder zum Ausgangspunkt.
In La Boca legte der Bus eine Pause von einer halben Stunde ein. La Boca ist das Künstlerviertel von Buenos Aires. Maler und andere Künstler erstellen hier auf den Straßen rund um den Hafen ihre Werke und bieten sie zum Kauf an. Die Häuser sind bunt angemalt und der Tourist kann sich in den vielen Straßencafés und -restaurants stärken und den Trubel der Menschenmassen genießen. La Boca wurde 1882 von Genueser Einwanderern als unabhängige Republik gegründet. Heute zeugt nur noch die bunte Farbe an den Häusern, wozu damals die Reste der Schiffsfarben genutzt wurden, von dieser stolzen Vergangenheit.
Zurück in der Innenstadt ging es Richtung Plaza de Mayo, wo um 18 Uhr die Schwulenparade beginnen sollte. Große Teile der Innenstadt waren für den Straßenverkehr gesperrt und so konnten wir die Stadt ganz anders erleben. Ruhiger, weniger hektisch und die Menschen waren alle in einer sehr gelösten Stimmung. Rund um die Plaza de Mayo nahm das Gedränge deutlich zu. Hier formierte sich der Umzug. Die meisten Schwulen und Lesben waren nur an ihren Regenbogenansteckern zu erkennen. Einige sehr extrovertierte Typen verliehen dem Ganzen jedoch einen Hauch von Karneval. Auch eine tolle Tanzgruppe lesbischer Frauen hätte in jede Prunksitzung in Köln, Düsseldorf oder Mainz gepasst.
Am Sonntag fuhr die gesamte Gruppe, die sich zurzeit im Hotel El Conquistador aufhält mit zwei kleinen Bussen in das etwa 120 km nordwestlich von Buenos Aires gelegene Städtchen San Antonio de Areco. In dem sonst eher beschaulichen Landstädtchen tummeln sich an diesem Novemberwochenende tausende von Gauchos mit noch mehr Pferden und feiern den "Dia de la Tradición". Der Höhepunkt ist ein traditioneller Umzug der Honoratioren mit ihren Familien und Gesinden. Es geht natürlich niemand zu Fuß, sondern die kleinsten Kinder reiten auf stolzen Pferden festlich geputzt durch die Straßen der Stadt. Anschließend fanden auf dem Festplatz Reiterspiele statt. Aus Zeitgründen konnten wir jedoch nur noch den Einzug der Gruppen beobachten.
Mit dem Bus ging es dann wieder zurück in die Innenstadt.