Über die Alpen hinweg

28.08.2011 Gavirate, italien
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Wir sind nun die erste volle Woche unterwegs und ohne dass man es bewusst will, drängen sich doch immer wieder Vergleiche mit unserer Panamericana-Tour auf. Das Reisen mit dem Wohnmobil vor allen Dingen in den USA und Kanada ist ein ganz anderes. In Süd- und Mittelamerika waren wir eine relativ kleine Minderheit, die mit einer solchen Blechkiste durch die Landschaften zog. In Nordamerika waren wir fast eine Selbstverständlichkeit. Wir fielen höchstens durch die Kleinheit unserer Fahrzeuge auf. Der größte Unterschied zum Wohnmobilreisen in Europa besteht allerdings nicht in den Fahrzeugen, sondern in der Lockerheit der Menschen. Wie selbstverständlich kam man immer direkt mit den Leuten ins Gespräch. Die Atmosphäre war einfach offener. Hier in Europa sind die Leute wesentlich reservierter.
Nun aber zu meinem Reisebericht. Die erste Nacht am Brienzer See war ruhig und erholsam. Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg in die Ortschaft. Brienz ist ein kleines beschauliches Dorf, das überwiegend von der Land- und Holzwirtschaft und natürlich vom Tourismus lebt. Auch die Holzschnitzkunst ist hier zu Hause.



Unser Tagesziel war jedoch weniger das Dorf, als vielmehr der nahe Hausberg, das Rothorn, zu bezwingen. Da sich unsere sportlichen Ambitionen doch in Grenzen halten, entschieden wir uns für die Rothorn-Bahn, die in der Ortsmitte startet. Die Rothorn-Bahn ist eine Schmalspurbahn, die einen Höhenunterschied von ca. 1700 m in einer Stunde überwinden muss. Die Steigungen reichen bis über 25%, was natürlich nur mit Zahnradunterstützung machbar ist. Eine Besonderheit ist, dass die Züge im Normalfall von Dampfloks gezogen werden. Die meisten Dampfloks sind allerdings hoch moderne Maschinen, die mit leichtem Heizöl betrieben werden. Nur noch zwei wirklich echte, kohlebeheizte Loks verrichten hier ihren Dienst, deren älteste aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg stammt.



Nach einer gemächlichen Fahrt durch eine schöne Gebirgslandschaft erreichten wir kurz vor 12 Uhr die Bergstation auf über 2200 m. Von hier aus setzten wir dann zum Sturm auf den 2350 m Rothorn-Gipfel. Wie immer, wenn der liebe Gott einen besonders schönen Flecken geschaffen hat, sind bereits andere Gäste vor uns da. In unserem Fall waren es tausende von Flugameisen, die den Gipfel verteidigten. Wir ließen uns aber nicht davon abhalten, zumindest für einige Augenblicke die herrliche Aussicht zu genießen und unseren Blick über den Brienzer See, das Massiv von Eiger, Mönch und Jungfrau bis nach Interlaken und weiter zum Thuner See schweifen zu lassen. In der anderen Richtung ging unser Blick bis hinein ins Emmental. Nach einer kurzen Rast ging es dann zurück zur Bergstation und mit der nächsten Bahn wieder talwärts. Zufrieden mit einem schönen Tag erreichten wir gegen 17 Uhr wieder unser WOMO.



Am nächsten Tag stand die eigentliche Alpenquerung an. Wir wählten die Route über den Grimsel-, Furka- und Sankt Gotthard Pass. Unser Weg führte uns über eine kurvenreiche Strecke an mehreren Stauseen vorbei kontinuierlich bergan. Nach ca. 45 km erreichten wir mit knapp 2200 m den Grimsel-Pass. Von hier oben hatten wir einen wunderschönen Blick auf die Seen und die verschlungene Straßenführung.



Von dort aus ging es dann zunächst über 400 m bergab um anschließend den Furka-Pass mit ca. 2430 m zu erklimmen. Die nächsten 8 bis 10 km waren anstrengend. Die Straßen nach der Passhöhe waren ziemlich schmal und mit durchschnittlich 10% Gefälle wurden auch das Getriebe und die Bremsen stark beansprucht. Auf den letzten Kilometern nach Andermatt begleitete uns der Glacier-Express, der ausgehend von Andermatt die Bezwingung des Sankt Gotthards angeht. Da wir Andermatt von zwei Besuchen mit dem Glacier-Express bereits kannten, verzichteten wir auf einen weiteren Besuch und gingen direkt den Sankt Gotthard Pass an. Ursprünglich wollten wir die alte Passstraße wählen, was aber leider nicht möglich war, da diese für Fahrzeuge über 3,5 t gesperrt ist. Wir wählten also die "neue Straße", nicht den Tunnel. Diese ist sehr gut ausgebaut und läuft wenig spektakulär über die Passhöhe von knapp 2100 m.
Kaum hatten wir den Alpenhauptkamm überquert, wurde zumindest im Straßenverkehr das südliche Temperament spürbar. Die Fahrweise war spürbar aggressiver.
Kurz nach 15 Uhr erreichten wir unser Tagesziel, einen Stellplatz östlich des Lago Maggiore. Der Platz war nicht besonders schön, verfügte aber über alle notwendigen Infrastruktureinheiten, inkl. WiFi. Für eine Nacht ausreichend.
Am Mittwoch führte uns unser Weg über Locarno und Ascona auf der westlichen Uferstraße entlang nach Oggebio. Sowohl Locarno als auch Ascona statteten wir jeweils einen kurzen Besuch mit einem Bummel durch die Altstädte ab.



Bei einem Cappuchino und einem Eis beobachteten wir das bunte Treiben, bevor es über die schmale Uferstraße unserem Tagesziel entgegen ging. Immer wieder muss man stehen bleiben, um den Gegenverkehr auf der kurvenreichen Strecke passieren zu lassen. Auch die Anfahrt zum Stellplatz war recht abenteuerlich. Mit deutlich über 10 % Steigung und einer maximalen Straßenbreite von vielleicht 3 m mussten wir die letzten 500 m bezwingen. Aber zur Belohnung fanden wir einen sehr schönen Stellplatz vor. Zu jeden Stellplatz gehörte eine kleine Terrasse, von der aus wir einen herrlichen Blick über den abendlichen See nach Luino am anderen Seeufer genossen.



Der Donnerstag war ein Faulenzertag, an dem ich am meinem Tagebuch schrieb und Inge alle möglichen Dinge des täglichen Bedarfs erledigte. Inge konnte es natürlichen nicht lassen und musste sich auch noch in die Fluten des Lago Maggiore stürzen, worauf ich auf Grund mangelnder Wassertemperatur freiwillig verzichtete.
Freitagmorgen sollte es dann mit dem Bus nach Cannabio gehen. Pünktlich um 10 Uhr standen wir an der Bushaltestelle. Wir warteten fast eine volle Stunde, überprüften den Fahrplan, aber sehr wahrscheinlich nur Gott, der Papst und Berlusconi wissen, warum keiner kam. Es ging also noch einmal zurück zum Womo. Nachmittags gegen 15 Uhr versuchten wir erneut uns Glück und tatsächlich, pünktlich um 15.08 Uhr kam der Bus, der uns in einer flotten Fahrt über die schmalen Straßen in das mittelalterliche Cannobio brachte. Auf einem ausgedehnten Spaziergang erkundeten wir die Stadt. Wir besuchen die Kirche San Ambrogio am der gleichnamigen Piazza und bummeln an der Uferpromenade entlang auf der immer noch reges Urlaubstreiben herrscht. Am Abend nehmen wir in einem der besseren Restaurants an der Promenade ein ausgesprochen gutes Abendessen ein, bevor wir uns auf den Rückweg zur Bushaltestelle machten, nicht ohne unterwegs noch die zwei ersten Flaschen italienischen Weines zu kaufen, wovon wir eine am Abend auf unserer Stellplatzterrasse noch leerten. Der Bus war pünktlich und da der Fahrer angeblich keine Billetts hatte, fuhren wir kostenlos.



Ursprünglich wollten wir noch einen weiteren Stellplatz einige Kilometer südlich am Lago Maggiore ansteuern. Aber irgendwie war es wie verhext. Entweder gab es den Platz nicht mehr oder die Zufahrt war zu eng oder der Platz gefiel uns einfach nicht. So kam es, dass wir am Samstagnachmittag in Gavirate am Vareser See landeten. Hier befindet sich ganz in der Nähe des Seeufers ein schöner Stellplatz, dessen Plätze zwar etwas eng sind. Jetzt in der Nachsaison war der Platz allerdings nur mäßig besucht, so dass man ohne Probleme zwei Plätze belegen konnte und damit recht bequem stehen konnte. Wir richteten uns hier für die nächsten drei Nächte ein.
Rund um den Vareser See wurde in den letzten Jahren ein sehr schöner Fahrradweg eingerichtet, der kaum Steigungen aufweist. Am Sonntag starteten wir nachmittags dann unsere Seeumrundung. Der Weg wird an Wochenenden auch sehr stark von Fußgängern genutzt, so dass es besonders in der Nähe von Ortschaften manchmal etwas eng wurde. Mit Pause schafften wir die 28 km in knapp 3 Stunden. Am Abend trieben uns die Mücken frühzeitig in das Innere unseres Wohnmobils, wo wir das Wochenende ausklingen ließen.

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